Aretha Franklin: A brand new Me
Kann das gut gehen, wenn ein um Disziplin bemühtes Orchester den mitreißenden Groove Aretha Franklins widergeben soll? Das Royal Philharmonic Orchestra hat den Versuch zum 50-jährigen Jubiläum der Queen of Soul gewagt.
„R-E-S-P-E-C-T, find out what it means to me, R-E-S-P-E-C-T, take care TCB“ schmettert Aretha Franklin, dass die Boxen bersten. Hits hatte die Queen of Soul viele, aber ein Song wie „Respect“ hat nicht nur die Soulmusik der 60er Jahre geprägt, sie ist auch zur immerwährenden Hymne der afroamerikanischen Frauenbewegung geworden. Als die Tochter eines Baptistenpredigers aus Memphis den Song „Respect“ im Februar 1967 aufnahm, hatte sie erst im Monat zuvor bei Atlantic Records unterzeichnet, dem dato wichtigsten Independentlabel der USA, Heimat von Ben E. King und Solomon Burke, später auch von den Bee Gees, Led Zeppelin und den Rolling Stones.
Zum 50-jährigen Jubiläum ihrer einzigartigen Karriere gibt es die größten Aretha-Franklin-Songs nun im Orchestergewand: Das Londoner Royal Philharmonic Orchestra vertont Titel wie „Respect“, „Think“ oder „Say a little Prayer“; sogar der Beatles-Klassiker „Let it Be“ ist zu hören. Oberste Priorität für die Produzenten Don Reedman und Nick Patrick war es, mit unverbrauchten Arrangements den Originalaufnahmen neue Dynamik zu verleihen, ohne die emotionale Energie von Franklins Gesang zu schmälern. Zuvor hatte das Duo zusammen mit dem Royal Philharmonic Orchestra diesen Ansatz schon erfolgreich bei Elvis Presley umgesetzt – „die Queen of Soul war der nächste Name auf unserem Wunschzettel“, erzählt Don Reedman. Seine erste Begegnung hatte der gebürtige Australier, als er Aretha Franklin als 15-Jähriger „Rock-a-bye your Baby with a Dixie Melody“ im Radio singen hörte: „Ihre Stimme sprang mich nahezu aus den Lautsprechern an, und seit diesem Moment bin ich Fan.“
Auch der Geschäftsführer des Royal Philharmonic Orchestras, James Williams, verbindet mit Franklin eine Kindheitserinnerung: Als ihn die Mutter eines Klassenkameraden mit ihrem Cabrio von der Schule abgeholt hat und sie mit offenem Verdeck zu Franklins „Freeway of Love“ über die Straße gebraust sind, hinterließ das einen bleibenden Eindruck bei dem damals Zehnjährigen. Williams ist sich sicher, dass es, um die Kraft und Energie der Sängerin einzufangen, ein hochprofessionelles Team wie Reedman und Patrick gebraucht hat, um Arrangements zu entwickeln, die einerseits die Essenz der Songs bewahren, ihnen andererseits aber eine neue Perspektive abgewinnen können. Warum das Royal Philharmonic Orchestra die Idealbesetzung für dieses Projekt gewesen ist, begründet der Brite damit, dass es nur wenige Orchester gäbe, die so vielseitig sind, dass ihr Repertoire von der rein symphonischen Performance in einem Konzertsaal bis zu Musik für Soundtracks, Videospiele und Musicals reiche – von Jazz über Rock bis hin zu Pop. „Die Orchestermitglieder können unmittelbar zwischen musikalischen Stilen wechseln, morgens Musik von Beethoven wiedergeben und am Nachmittag dann Songs von Aretha Franklin. Es dauert Jahre, diese Fähigkeit zu entwickeln.“
Und tatsächlich, „A brand new Me“ schafft es, die gesanglichen Stärken der heute 75-Jährigen mit leichtfüßigen Arrangements auf Augenhöhe zu umschmeicheln. Selbst bei einem unendlich oft gecoverten Titel wie „(You make me feel like) A natural Woman“ aus der Songwriterfeder von Carole King, gelingt es dem Orchester, dem Song eine gewisse Frische zu geben. Natürlich findet auch die symphonische Erhabenheit ihren Platz, wenn „You’re all I need to get by“ oder „Son of a Preacher Man“ die Ergriffenheit des Publikums einkalkulieren.
Wie die Musiker, teils selbst Fans der Soullegende, während der Aufnahmen ruhig auf ihren Stühlen sitzen bleiben konnten, statt von der Energie getrieben aufzuspringen und durch das Studio zu tanzen, erklärt Williams mit dem komplexen Aufnahmeprozess: „Oft werden die einzelnen Sektionen des Orchesters – Streicher, Blechbläser, Hornbläser und die Rhythmussektion – separat aufgenommen, indem sie mit Kopfhörern ihren eigenen Part für jeden Song aufnehmen, ohne die Stimme von Aretha Franklin oder auch nur andere Teile des Orchesters zu hören.“ Produzent Reedman hat eine schlichtere Erklärung: „Hey, sie mussten sitzen bleiben, um die Noten lesen zu können“. Respekt!
Verena Reygers