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Augen zu und durch: „Eigengrau“ von Vincent Meissner Trio

Vincent Meissner Trio
Vincent Meissner Trio (Foto: Niklas Wagenbrenner)

Auf seinem dritten Album fürchtet sich das Vincent Meissner Trio nicht vor der Komplexität. Aber wenn es um Radiohead geht, kann es auch ganz bescheiden sein.

Kleine Wortstunde: Der Begriff „Eigengrau“ bezeichnet die Farbe, die man bei geschlossenen Lidern sieht. Etwas Persönlicheres ist kaum denkbar, und so könnte dieser Albumtitel einen mindestens eigene, im schlimmsten Fall weltabgewandte oder gar solipsistische Musik erwarten lassen. Doch darum ist es dem Vincent Meissner Trio bei seinem dritten Album nicht gegangen, wie die Erklärung des Bandleaders deutlich macht. „Wenn man sich dann die Augen reibt, sieht man plötzlich Muster“, sagt Vincent Meissner. „Jeder sieht etwas anderes, Strukturen, Objekte, oder vielleicht auch gar nichts. Ähnlich ist das mit unserer Musik – für jeden erzeugt sie eigene Bilder.“ Subjektiv und individuell ist die Musik auf „Eigengrau“ also durchaus, aber zugleich auch kommunikativ, fließend und niemals sperrig.

Kein Wunder, dass Meissners Mentor Michael Wollny ist. Beide teilen eine Liebe zum Unperfekten und Spontanen, die durch das hohe technische Level kontrastiert wird. So sind auch die Tracks, die Meissner gemeinsam mit Bassist Josef Zeimetz und Schlagzeuger Henri Reichmann für „Eigengrau“ geschaffen hat, rhythmisch komplex und harmonisch unvorhersehbar, ob es um das rasante „Be yellow“ geht oder das komtemplative „Oknok“. Vielleicht am deutlichsten wird Meissners vielseitiger Ansatz jedoch in den beiden Covern: einmal Princes „Nothing compares 2 u“, das getragen losgeht, bevor es sich in der zweiten Hälfte zu einem hyperaktiven Gewitter steigert, nur um am Schluss zur Melodie zurückzufinden. Im Gegensatz dazu behandelt das Trio Radioheads „Separator“ – hier wie im Original auf „The King of Limbs“ der Closer – mit fast überkorrekter Rücksicht, wie sie nur bei echten Fans zu finden ist. Diese musikalische Bescheidenheit ist es vielleicht, die das Vincent Meissner Trio am Ende am stärksten charakterisiert. Und auch das passt ins Bild: Denn Eigengrau ist zusätzlich zu allem anderen etwas denkbar Alltägliches, das wir alle – beim Blinzeln nämlich – mehrere Male pro Minute vor Augen haben. Und doch birgt es jederzeit spannende Muster – wir müssen nur ganz genau hinschauen.

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