Austra: Lächel doch mal!
Um eine Trennung zu verarbeiten, teilt Katie Stelmanis alias Austra ihre Gedanken, die eigentlich nie für die Öffentlichkeit gedacht waren – und beschämt damit hauptsächlich: sich selbst.
Katie, „Chin up Buttercup“ ist ein Trennungs- und ein Traueralbum. Eine Reaktion auf die plötzliche Trennung von deiner langjährigen Freundin. Trotzdem klingt die Platte nach Dancefloor und Eurodance-Euphorie.
Katie Stelmanis: Es war ein langer Weg zu dieser Euphorie. Fünf, sechs Jahre habe ich für dieses Album gebraucht. Allerdings war es von Anfang an die Intention, ein Album aufzunehmen, das eben nicht depressiv klingt.
Dabei hätte es kaum schlechter laufen können: Kurz nachdem du verlassen wurdest, begann die Pandemie, du musstest aus deiner Wahlheimat London verschwinden und bist in Kanada in ein depressives Loch gestürzt.
Stelmanis: Obwohl ich aus Toronto komme, war es für mich völlig neu, wieder dort zu wohnen. Ich war fast eine Dekade weg. 2019 bin ich noch bester Dinge gewesen, ein Album im aufregenden London aufzunehmen. Dann ging alles so schnell. Das war wirklich destabilisierend, körperlich wie psychisch. Es war mir kaum noch möglich, ein normales Leben zu führen.
Wie hast du dann schließlich zurück ins Leben gefunden?
Stelmanis: Ich wollte zunächst gar kein Album schreiben. Dafür habe ich begonnen, Tagebuch zu führen. In dieser dunklen Zeit war das lebensnotwendig. Ständig habe ich Dinge aufgeschrieben. Meine Gefühle brauchten einen Kanal. Hunderte Seiten habe ich auf meinem Laptop vollgeschrieben. Teilweise ganz schreckliches Zeug. Das waren unsortierte Gedanken, die eigentlich nie für die Welt da draußen bestimmt gewesen sind. Doch selbst zwischen den dunkelsten Worten und Zeilen ist immer eine Art Humor mitgeschwungen – was mir zwar erst im Nachhinein aufgefallen ist, dann aber direkt sehr gefallen hat. So sind eben doch einige Passagen auf diesem Album gelandet.
Humor? Ich würde es eher Wahnsinn oder gar Obsession nennen.
Stelmanis: Für mich hat es sich eben nie nach Heilung angefühlt. Natürlich könnte ich mich jetzt hinstellen und behaupten, wie viel ich über mich gelernt habe und wie glücklich ich darüber bin – bloß stimmt das einfach nicht. Deswegen auch der Albumtitel. Wir alle tragen diese Tendenz in uns, Dinge zu beschönigen. Und das wollte ich nicht. Ich wollte es meinen Hörer:innen nicht unnötig leicht machen. Es herrscht echter Druck, zu heilen und okay zu sein. Trotzdem können kaum Menschen damit umgehen, wenn einmal große und echte Emotionen verbalisiert werden, weil sie dann gezwungen sind, die Existenz jener Emotionen auch bei sich selbst anzuerkennen. Deshalb isoliert man sich ziemlich schnell, wenn man einmal damit anfängt, seine Emotionen zu kommunizieren. Und ja: Manchmal klinge ich auf diesem Album obsessiv. Das ist peinlich – aber die Wahrheit. Wichtig war mir bloß, dass es nie demütigend wird.
Dafür wirst du in „Math Equation“ dann aber sehr persönlich. Du singst: „You said I needed my own friends/So I found them/Then you fucked them.“ Wie viel Wahrheit steckt in Zeilen wie dieser?
Stelmanis: Diese Zeile kommt tatsächlich direkt aus meinem Tagebuch. War also eigentlich nie für die Öffentlichkeit bestimmt. (lacht) Der Song und diese Zeile haben sich dann gewissermaßen gefunden. In your Face!
Hattest du nie Angst, zu sehr in your face zu sein?
Stelmanis: Natürlich, immer. (lacht) Ich hab Angst davor, die obsessive Ex zu sein. Man will ja nicht diejenige sein, die lästert. Mit diesem Album beschäme ich aber hauptsächlich mich selbst.
Dein letztes Album „HiRUDiN“ aus dem Jahr 2020 war auch schon ein Album über toxische und kaputte Beziehungen. Das klang damals aber noch viel getragener.
Stelmanis: Eigentlich sind alle meine Platten ja Trennungsalben. Auch irgendwie peinlich. Es ist sehr verbreitet, dass Autor:innen oder Musiker:innen ihre Kunst mit ihren Beziehungen verknüpfen. Bei diesem Album war es hingegen gar nicht möglich, etwas anderes zu schreiben. Es war wie ein verzweifelter letzter Versuch, irgendwie durch das Erlebte zu kommen.
Am Ende dieser Platte gibt es dann aber doch so etwas wie ein kathartisches Happy End. Bist du jetzt also doch geheilt?
Stelmanis: Songs wie „The Hopefulness of Dawn“ oder „Good Riddance“ mögen so klingen. Doch wenn du solche Songs schreibst, bist du eigentlich noch gar nicht so weit. Es ist eher ein „Fake it till you make it“. (lacht) Das Lustige ist: Es funktioniert. Inzwischen geht’s mir wieder ziemlich gut.