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Spaß essen Seele auf: „Loner“ von Barry Can’t Swim

Barry Can’t Swim sitzt vor türkisem Hintergrund.
Mit seinem zweiten Album geht Barry Can’t Swim einen Kampf ein – und zwar mit sich selbst. (Foto: Ben Hanratty)

Mit dem Erfolg kam die Angst. Doch anstatt sie zu bekämpfen, umarmt sie der schottische Elektroproduzent Barry Can’t Swim lieber.

Ziemlich genau ein Jahr ist es nun her, dass sich Barry Can’t Swim für sein 2023 veröffentlichtes Debütalbum „When will we land?“ nebst Charli XCX, Lorde und Beth Gibbons auf der Shortlist für den Mercury Prize 2024 wiedergefunden hat. Als Elektro-Soloartist eine Seltenheit. Und nach drei (!) ausverkauften Soloshows in der legendären Londoner Brixton Academy sowie einem frenetisch gefeierten Liveset beim Glastonbury prangt der Name Barry Can’t Swim inzwischen wie selbstverständlich hoch oben auf den Festivalplakaten. Dabei ist der kometenhafte Aufstieg des Produzenten und DJs alles andere als selbstverständlich – am wenigstens für ihn selbst.

„Loner“ von Barry Can’t Swim: Einsam im Blitzlicht

Die Headliner-Attitüde geht Joshua Mainnie, wie der in Edinburgh geborene Schotte eigentlich heißt, schließlich völlig ab. Introvertiert, ja fast schüchtern wirkt er bei seinen Shows. Tanzen? Kein Problem! Augenkontakt zum Publikum? Bitte nicht! Mainnie selbst macht daraus kein Geheimnis. Er weiß, dass ihm das Musikmachen besser steht als Reden. Konsequenterweise hat der britische Soundbastler sein zweites Album nun „Loner“ getauft.

Dass es einsam an der Spitze werden kann, gilt für einen Loner wie Joshua Mainnie wohl erst recht. Blitzlicht und kreischende Fans haben Hochstapler-Hirngespinste und den wachsenden Wunsch nach Isolation geweckt. Aus Spaß wurde Angst. Und so ringen auf der zweiten Barry-Can’t-Swim-Platte der Star und der Loner um ein Gleichgewicht: Barry gegen Josh. „Dieses Album ist ein Prozess, in dem ich auf meinen Erfolg schaue und herausfinde, wer ich bin“, erklärt – ja, wer? Barry oder Josh? Und so beginnt „Loner“ mit einem ungewöhnlich düsteren TripHop-Song, in dem Mainnie mit seinem alten Kumpel Séamus in ein wirres Zwiegespräch voller Affirmationen und Optimierungsgedanken eintaucht. „Make sure to be funny“, dröhnt es humorlos, während man Mainnies gequältes Lächeln förmlich sehen kann.

Obwohl der von Vocals durchzogene Elektrosound im Folgenden aufklart, ein Kali Uchis sampelnder Dance-Hit („Still riding“) auf typische UK-Basskaskaden („Different“) und selbstbewussten Acid-Trance („About to begin“) folgt, bleibt die melancholische Anspannung ein subkutaner Begleiter. Und spätestens bei Séamus’ zweitem Spoken-Word-Gastauftritt über einen traurig dahingleitenden Breakbeat, bei dem sich das Wort „Fun“ allmählich in „Fear“ verwandelt, ist die Angst zurück. Dieses Dance-Album ist doppelseitig geprägt: hell und dunkel. Barry und Josh. Fun und fear. „One is for partying, the other is for crying to in the shower“, so Mainnies Instagram-Caption zu seinen Vorabsingles „About to begin“ und „Cars pass by like Childhood Sweethearts“.

Damit spielt Barry Can’t Swim locker in derselben Klasse wie UK-Genre-Kollegen Jamie xx, Fred Again.. und Overmono. Mit allen drei hätte er längst zusammenarbeiten können, doch auch für sein zweites Album bleibt der Schotte im Kreis enger Freunde. Neben Séamus ist nur noch sein Producer-Freund O’Flynn auf der Platte vertreten, und auch das Artwork stammt aus seinem Inner Circle. Darauf zu sehen: Josh, hinter geöffneter Tür, apathisch auf seinem Bett sitzend, den Blick auf ein mit Medaillen behängtes humanoides Etwas – Barry. Es ist wie mit fun und fear: Der eine kann nicht ohne den anderen.

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