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Bear’s Den: Red Earth & pouring Rain

Mit ihrem zweiten Album „Red Earth & pouring Rain“ haben Bear’s Den den Folk hinter sich gelassen. Und das klingt gerade deshalb so gut, weil sie selbst nicht genau wissen, ob das so gut war.

Andrew, Kev, nachdem ihr schon mit der zweiten Hälfte eures Debüts an die Grenzen des Genres geschrammt seid, habt ihr euch mit der neuen Platte endgültig aus dem engen Korsett des Folk befreit.
Andrew Davie: Inhaltlich stimmt das schon, aber hier würde ich ausnahmsweise mal wie ein Typ formulieren, für den das Glas halb voll ist: Wir haben nach weiteren Ausdrucksformen gesucht. Für uns war das ein ganz natürlicher Prozess, der an unsere Konzerte andockt, bei denen wir uns ja auch immer mehr verkabelt haben. Zuletzt haben wir auch die Songs vom Debüt so dynamisch vorgetragen, dass sie manchmal kaum noch wiederzuerkennen waren.

Wart ihr genervt, weil Folk plötzlich wieder zum Erfolgsmodell geworden war und sich viele Musiker einen Bart wachsen lassen haben, um auch von dem Trend zu profitieren?
Kev Jones: Unterbewusst vielleicht schon, weil man bei vielen Musikern einfach auch gehört hat, dass nicht Gefühle, sondern Kalkül dahinter steckt. Trotzdem tauchen auch immer wieder Bands auf, die mich nur mit Banjo und akustischen Instrumenten erobern. Und es gab bei uns ja nicht den Entschluss, ein elektronisches Album zu machen. Wir wollten bestimmte Dinge ausdrücken, und wir haben gemerkt, dass Synthies uns dabei gute Dienste erweisen.

Musstet ihr Zugangsängste überwinden?
Jones: Klar, nachdem wir bei der ersten Platte nur ganz dezent im Hintergrund experimentiert haben, kamen bei den Konzerten dann immer mehr Maschinen dazu. Vielleicht ist diese Entwicklung auch ein ganz perfider Plan unseres Live-Keyboarders Marcus Hamblett. (lacht) Mir hat anfangs jedenfalls dieses Verwirrspiel sehr geholfen: Plötzlich hatten wir Synthies, die wie Gitarren klangen und Mandolinen, die sich wie Synthesizer angehört haben.

War der musikalische Wandel auch der Grund, warum euer Gitarrist Joey Haynes ausgestiegen ist und ihr, zumindest was die kreative Arbeit im Studio angeht, jetzt nur noch ein Duo seid?
Davie: Ich glaube, musikalisch wäre das voll sein Ding gewesen. Joeys Ausstieg hing einfach mit den Belastungen des Tourlebens zusammen, und wenn ich bedenke, dass wir fast drei Jahre ununterbrochen unterwegs waren, kann ich gar nicht anders, als seine Entscheidung zu respektieren.

Eure neuen Songs wie etwa „Emeralds“ oder „Auld Wives“ erinnern an den amerikanischen Mainstreamrock der 80ern von Künstlern à la Tom Petty, The Eagles oder Bruce Springsteen ab „Born in the USA“ – was bis vor kurzem noch als der Gipfel des schlechten Geschmacks galt …
Davie: Unfassbar, wie schnell dieser Sound rehabilitiert wurde. Aber mir ging es wie vielen: Erst durch das großartige letzte Album von The War On Drugs habe ich mich gegenüber dieser Musik so richtig geöffnet. Trotzdem erhalten wir uns unseren Ruf als hoffnungslos trendresistente Band – denn sonst hätten wir auf unserer Platte ja das Saxofon ins Zentrum gerückt.

Aber wie ist das Album so amerikanisch geworden, obwohl du dich zum Songschreiben in ein kleines Kaff bei Hilversum in den Niederlanden zurückgezogen hast?
Davie: Ich brauchte einfach ein Einsamkeitsexil, und in London kann ich mir kein Studio für mehrere Wochen leisten. Letztlich spielt der Ort aber auch keine Rolle, denn die Ideen waren ja alle schon da: Ich musste nur die Geschichten loswerden, die sich während unserer Konzertreisen in meinem Kopf angestaut haben. Nichts ist amerikanischer als endlose und einsame Autofahrten, und oft habe ich auf Tour auch noch die Stories von Raymond Carver gelesen, die mich sehr inspiriert haben.

Für dessen Figuren die Gläser immer halb leer sind.
Davie: Mich faszinieren Leute, die in einer Situation gefangen sind und nicht wissen, wie sie einen Weg aus ihren Job oder ihrer Beziehung finden sollen. Deswegen zählt für mich auch „Darkness on the Edge of Town“ von Bruce Springsteen zu den besten Alben aller Zeiten. Wir haben die Tendenz, Fehler auf Fehler zu begehen – und obwohl uns das bewusst ist, brechen wir da nicht aus.

Wollt ihr mit „Red Earth & pouring Rain“ dazu ermuntern?
Davie: Deswegen das Bild vom Autofahren: Man blickt in den Rückspiegel und ist mit der diffusen Sehnsucht nach etwas konfrontiert, das in der Vergangenheit liegt. Aber man bewegt sich auch vorwärts und gewinnt Abstand. Bremsen und Umkehren? Oder Weiterfahren – und wo geht es dann hin? Natürlich weiß ich es auch nicht. Aber es gibt schlechtere Orte als den Platz am Steuer.

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