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Berlin Biennale: diverse Ausstellungsorte, Berlin

Glokale Kunst: die neunte Berlin Biennale.

Reality is over. Die Berlin Biennale hat sich bei ihrer neunten Ausgabe dafür entschieden, weitgehend ins Virtuelle zu entschwinden und die New Yorker Künstlergruppe DIS zu Kuratoren gemacht, ein Quartett aus dem Umfeld der Post-Internet-Art, das Kunst primär als Kommunikationsstrategie versteht. Was diskurstheoretisch gar nicht uninteressant ist, im Vorfeld allerdings beunruhigend clean daherkommt, mit einer optischen Strategie, die mehr an Marketing erinnert als an Kunst. Die Ausstellung selbst wird bis 18. September mit einer Konkretisierung dagegen halten – die Biennale bespielt unter anderem einen Touristendampfer und eine private Hochschule, was den Kunstdiskurs vom Kopf auf die Füße stellen dürfte. Hoffentlich.

Interview mit Gabriele Horn, Direktorin der Berlin Biennale

Frau Horn, die Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst hatte bei ihrer Gründung 1998 auch die Aufgabe, die vibrierende Kunstszene der Stadt in einer großen institutionellen Ausstellung zu repräsentieren. Was ist die Aufgabe heute?
Gabriele Horn: Schon bei der ersten Berlin Biennale haben Klaus Biesenbach, Nancy Spector und Hans Ulrich Obricht die Anliegen der Berlin Biennale als glokal bezeichnet: „Der Schwerpunkt ist die Stadt selbst und ihre hybride kulturelle Landschaft. Statt den Globus nach einer Anzahl programmatischer Künstler und Künstlerinnen abzusuchen, die auf die eine oder andere Arte die signifikantesten Trends unserer Zeit verkörpern, entschieden wir uns, die wahrhaft ,glokale‘ Natur der verschiedenen Berliner Kunstszenen zu untersuchen.“ Die Berlin Biennale ist im Kern nach wie vor glokal orientiert geblieben. Verkürzt heißt das: Berlin ist im globalen Zeitalter angekommen und ebenso auch die Berlin Biennale. Doch Berlin ist dabei immer auch lokaler Bezugspunkt der künstlerischen und kuratorischen Auseinandersetzung geblieben.

Für die Berlin Biennale waren die Ausstellungsorte immer zentrale Setzungen. Dieses Jahr werden unter anderem bespielt: eine Barkassse auf der Spree, die für die zeitgenössische Kunst eher periphere Feuerle Collection und die European School of Managment and Technology. Was kann ich aus diesen Ausstellungsorten schließen?
Horn: Die neunte Berlin Biennale nimmt die Gegenwart in all ihren Widersprüchen auf, Brüche zwischen privat und öffentlich. Alle ausgewählten Ausstellungsorte versprühen einen Hauch dessen, was das Kuratorenteam DIS als „Paradessenzen“ unserer Zeit bezeichnet, also dessen, was paradox und zugleich essenziell für unser gegenwärtiges Leben steht. Der Pariser Platz war Ausgangspunkt für die Recherche von DIS: einerseits ein öffentlicher, bei Touristen beliebter Platz, andererseits umgeben von unsichtbaren Zentren wirtschaftlicher und politischer Macht. Die Akademie der Künste und der Starbucks sind bezeichnenderweise die einzigen Orte, die man dort unkontrolliert betreten kann. Die ESMT ist eine private Wirtschaftshochschule im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR. Die Ausbildung zukünftiger Manager findet hier statt, und so überlagert die globale Wirtschaft hier die sozialistische Vergangenheit des Gebäudes. Die Feuerle Collection ist eine private Sammlung, die der Öffentlichkeit zugänglich ist und so charakteristisch für die Entwicklung des privaten Sammlertums ist, das mehr und mehr die öffentliche Kunstszene der Stadt bestimmt.

DIS kündigt an: „Die 9. Berlin Biennale könnte zeitgenössische Kunst involvieren. (…) Performancekunst könnte die Zukunft fortschrittlicher Innenarchitektur sein und Krankheitstage der PerformerInnen könnten vergütet werden. (…) Die 9. Berlin Biennale könnte die Gegenwart in Drag wiedergeben. Oder auch nicht.“ Ist diese Ästhetik des „Vielleicht / Könnte sein“ symptomatisch für die Gegenwart, sind klare Aussagen nicht mehr zielführend?
Horn: Es ging bei dieser ersten Kampagne der eher um die oben bereits erwähnten Paradessenzen unserer Gegenwart: Ein bestimmter Sachverhalt erscheint in einem bestimmten Licht, kann aber aus einem anderen Blickwinkel ebenso plausibel ganz anders bewertet werden. An jede Berlin Biennale werden außerdem im Vorfeld bestimmte Erwartungen gestellt, sollen Fragen beantwortet und Themen gesetzt werden, noch bevor die Ausstellung überhaupt eröffnet hat. Mit solchen Fragen und Erwartungen an die Institution spielerisch und humorvoll umzugehen, sie zu hinterfragen und sich ihnen bisweilen auch zu entziehen, ist charakteristisch für DIS’ Herangehensweise.

Was bedeutet die Berlin Biennale in einer internationalisierten Kunstwelt für Berlin?
Horn: Die Berlin Biennale setzt sich immer mit Beobachtungen der Stadt auseinander, die in ihrer Relevanz auch über Berlin hinaus von Bedeutung sind. Alle zwei Jahre versammelt die Berlin Biennale künstlerische Positionen, die sowohl die Stadt als auch das internationale Publikum ansprechen. Die Beziehung zu Berlin macht die Berlin Biennale aus, gleichzeitig belebt die Berlin Biennale die Stadt als Kulturmetropole.

Interview: Falk Schreiber

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