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Warten an vier Berliner U-Bahnhöfen ab sofort durch Musik begleitet

BVG U-Bahnhof Zugang Unter den Linden Teil des Projekts Berliner U-Bahnhöfe mit Musik
Der Zugang zum Bahnhof Unter den Linden der Linie U5 und U6, der 2020 neu eröffnet wurde und nun mit Hintergrundmusik ausgestattet ist. (Foto: Nur.fal, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/>, via Wikimedia Commons)

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) befördern jährlich Millionen Menschen. Um den Reisenden ein angenehmeres Umfeld zu bieten, testen die BVG und Klassik Radio leise klassische und Lounge-Musik in Bahnhöfen.

Hamburg, München, Barcelona und Montreal haben das Konzept bereits teilweise umgesetzt: In ausgewählten Bahnhöfen dieser Städte erklingt leise Hintergrundmusik, Fahrstuhlmusik – wenn man so will. Die einen finden die musikalische Untermalung vielleicht angenehm, andere wiederum bevorzugen die Stille. Doch die Stille, bzw. das lärmende Treiben auf vier von Berlins U-Bahnhöfen wird seit Montag, dem 21. März durch „dezente Musik“ übertüncht. In einem Pilotprojekt zusammen mit dem Radiosender Klassik Radio hat die BVG spezielle Musikprogramme entwickelt, die den Fahrgästen eine Wohlfühlatmosphäre bieten sollen.

Zu Hause kann auf die Playlisten auf bvg.de/ambiente zugegriffen werden.

U-Bahnhof Strausberger Platz Teil des Projekts Berliner U-Bahnhöfe mit Musik
Der U-Bahnhof Strausberger Platz. Foto: Foto: Phaeton1, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en>, via Wikimedia Commons

Musik-Metro(pole)

Unter den „speziell kuratierten“ Klängen von klassischer und Lounge-Musik warten die Fahrgäste in den Bahnhöfen Unter den Linden oder Strausberger Platz der Linie U5, Südstern an der U7 oder Moritzplatz an der U8. Die Musik endet, stattdessen schallt über den Bahnsteig eine blecherne Stimme, die die Wartenden zum Tragen ihrer Schutzmaske auffordert. Kurz darauf fährt die Bahn ein, hektisches Aus- und Einsteigen beginnt, bevor die Bahn wieder abfährt – die Musik ertönt erneut. Das sind die Maßnahmen, die für die Sicherheit und Orientierung aller Fahrgäste, jedoch speziell für blinde und sehbehinderte Menschen vorgesehen sind: während jeder Durchsage und der Zugeinfahrt pausiert die Musik und beginnt danach automatisch wieder.

Außerdem werden die Playlists zwischen den Bahnhöfen gewechselt, um bestmöglich das jeweilige Publikum anzusprechen. Die Test-Bahnsteige unterscheiden sich nämlich nicht nur „baulich und somit akustisch“. „Sie haben auch verkehrlich eine jeweils andere Bedeutung, vom innerstädtischen Bahnhof unter dem Boulevard bis zum Bahnhof in einem Mischgebiet mit hohem Gewerbeanteil“, so die BVG.

U-Bahnhof Moritzplatz der Linie U8 Teil des Projekts Berliner U-Bahnhöfe mit Musik
Der BVG-Bahnhof Moritzplatz liegt auf der gefährlichen Linie U8 und soll nun mit hellerem Boden ausgestattet werden. Foto: Foto: Phaeton1, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en>, via Wikimedia Commons

Project Unterground-Music

Doch nicht nur die Hintergrundmusik aus Klassik und Lounge soll beruhigend wirken. Das Projekt umfasst ebenfalls eine Instandsetzung der Bahnhöfe, die mehr Licht, hellere Fußböden und Oberflächen mit leicht zu reinigenden Materialien umfasst. Der Innenstadt-Bahnhof Unter den Linden macht diese Verbesserungen bereits vor.

Und wie bereits erwähnt, ist Berlin nicht die erste Stadt, die solch eine Idee umsetzt. Die Stadt Hamburg startete schon 2005 ein ähnliches Projekt, mit der Begründung, Reisenden einen angenehmen Aufenthalt zu verschaffen. Ziel war es jedoch in erster Linie, Drogensüchtige und Dealer von verschiedenen Bahnhöfen fernzuhalten. Ein Beitrag der Zeit zitierte dafür der Geschäftsführer des Tontechnik-Unternehmens. Er bewies darin den Erfolg der Beschallung mit der Abwesenheit „unerwünschter Leute“.

Und auch in Berlin ist die Idee, Obdachlose, Drogensüchtige und Dealer durch Musik zu vertreiben, nicht neu. Bereits 2007 gab es viel kritisierte Überlegungen, auf Bahnhöfen der Linie U8 klassische Musik zu spielen. Fairerweise muss hierbei ergänzt werden, dass die U8 mit den Stationen Alexanderplatz, Kottbusser Tor und Hermannplatz die Top 3 der gefährlichsten Bahnhöfe Berlins anfährt, wie eine Untersuchung 2018 herausfand. Eine Vertreibung von Menschen ist allerdings kritisch zu hinterfragen. Wenn so etwas umgesetzt werden soll, sollten anderweitig Räume geschaffen werden, in denen sich beispielsweise Wohnungslose, insbesondere im Winter, aufhalten können. 

Re-using im BVG-Style

Hilfsprojekte der BVG gibt es natürlich. Zurzeit hilft der Verkehrsverbund beim Transport von Geflüchteten aus der Ukraine und früher waren Obdachlosen Übernachtungen in Bahnhöfen teilweise erlaubt. Doch leider gibt es immer wieder Hürden, die solche Hilfsaktionen stoppen. So ist auch die Idee vom Duschbus, wie es ihn in Hamburg gibt, irgendwann, irgendwie untergegangen. Stattdessen hängen in den Bahnhöfen kleine Plakate, die auf Hilfsstellen hinweisen, von denen es jedoch zu wenig gibt. Ein gutes Beispiel für einen gelungenen Ansatz ist der „Rosinenbrummi“, der während des Lockdowns 2020 Lebensmittel und Geld an Obdachlose in Berlin verteilt hat.

In den nächsten sechs Monaten probiert die BVG nun erstmal die Musik in den Bahnhöfen aus. Ob die Musik alleine für mehr Sicherheit sorgt, bleibt abzuwarten. Gerade für Frauen, die abends oder nachts alleine unterwegs sind, bleibt die Sicherheit auf Bahnsteigen ein aktuelles Thema.

Noch ist das Projekt in der Testphase. Alle Reisenden dürfen in Umfragen direkt auf den Bahnsteigen über die Zukunft der Hintergrundmusik entscheiden. Am Ende werden die Befragungen zum Ambiente vor und nach dem Beginn des Projekts verglichen und sollen zeigen, inwiefern die Musik das Stimmungsbild beeinflusst.

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