Billie Eilish: When we all fall asleep, where do we go?
Zwischen Goth, HipHop-Chic und Anime-Grellheit schafft sich die 17-Jährige ästhetisch eine ganz eigene Nische.
Teenager-Sein ist die Hölle – egal, was sie erzählen. Erst recht, wenn es etwa heißt, dass man mit 16 oder 17 gefälligst die Zeit seines Lebens haben sollte, und dass das ohnehin ein Alter sei, in dem man noch nicht verstehen könne, was echter Schmerz bedeutet. Es war schon immer an der Popmusik, dem Abwiegeln der Älteren mit Identifikationsangeboten zu kontern. Und hier kommt Billie Eilish ins Spiel: Lange gab es keinen Popstar mehr – und Eilish ist auf dem besten Wege, einer zu sein –, der nicht nur leere Projektionsfläche und uneinlösbares Versprechen gewesen ist, sondern all den Wirrnissen und Untiefen der Adoleszenz ein ernstzunehmendes Ventil geboten hat. Insofern ist das Phänomen Billie Eilish vielleicht interessanter als die Musik: Die kommt trotz großer Songmomente wie der im Alter von 13 Jahren gemeinsam mit ihrem älteren Bruder geschriebenen Durchbruchssingle „Ocean Eyes“ etwas generisch daher. Dafür hat die 17-Jährige sich ästhetisch eine ganz eigene Nische geschaffen, irgendwo zwischen Goth, HipHop-Chic und Anime-Grellheit; und so wie Billie Eilish in Interviews offen über ihr Tourette und ihre Depressionen spricht (ja, in der Hitsingle „Bury a Friend“ lautet der Refrain in der Tat „I wanna end me“) ist kaum denkbar, dass ihr eine gut geölte Marketing-Maschinerie im Hintergrund die richtigen Worte zuflüstert. Wenn Eilish wie im Video zur ultrareduzierten Ballade „When the Party’s over“, einem der besten Songs des Albums, das Grauen des Jugendlichseins in eine ganz konkrete Horror-Motivik übersetzt, dann steckt darin beides: die personifizierte Teen-Angst, die aber derart hyperstilisiert ist, dass ein nötiger Rest distanzierender Popstar-Aura übrig bleibt. Und obwohl Eilishs Debütalbum „When we all fall asleep, where do we go?“ konventioneller daherkommt als seine Schöpferin: In Songs wie „8“, dessen musikalisches Zentrum die unwahrscheinliche Begegnung zwischen einer Ukulele und Autotune bildet, oder „Bad Guy“, der entkernten, schiefen Version eines potenziellen Britney-Spears-Chartbreakers mit unerwartetem Trap-Finish, reizt Billie Eilish maximal aus, was an Weirdness inmitten zeitgenössischer Mainstreampop-Glätte möglich ist. Teenager-Sein ist die Hölle. Mit dem empowernden Pop von Billie Eilish aber vielleicht ein bisschen weniger. msb