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Boris Mikhailov

Schonungslos und ungefiltert gab der Fotograf dem Verfall eines Staates ein Gesicht – mit künstlerischem Anspruch.

Fotografien haben eine spezielle Macht. Trotz üppigem Bearbeitungspotenzial haftet ihnen der Charakter der Beweiskraft an. Das wusste auch die ehemalige Sowjetunion. Der ukrainische Fotograf Boris Mikhailov hielt mit seiner Kamera den Alltag seiner Heimatstadt Charkow fest – mit allen Realitäten, denen er begegnete.

In seiner Serie „Case History“ zeichnete er mit der gnadenlosen Ablichtung von Obdachlosen, armen und kranken Menschen das Bild eines zerfallenden Staates. Neben Reportagen und banalen Schnappschüssen inszenierte Mikhailov manche Menschen, darunter auch Freunde oder sich selbst, in skurrilen Posen, nackt und zu anzüglich, um öffentlich ausgestellt zu werden – zumindest bis in die 1990er Jahre. Zuvor waren Mikhailovs Fotografien in seiner Heimat verboten, doch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde der Fotograf mit „Case History“ international sehr bekannt.

Mikhailov kolorierte seine Fotografien, machte Doppelbelichtungen und gab den fotografischen Zeitdokumenten auf diese Weise eine künstlerische Umsetzung. Die Ergebnisse seines Schaffens der letzten vierzig Jahre stellt Baden-Baden nun aus: Hier kann man genauso ungefiltert auf die Motive blicken, wie sie einst vor die Linse traten.

Staatliche Kunsthalle Baden-Baden 16. 11.–16. 2. 2020

Mehr Infos zur Ausstellung gibt es auf der Homepage der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden.

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