Burkhard Spinnen: Rückwind
In seinem neuen Roman „Rückwind“ spielt Burkhard Spinnen mit den zwei Identitäten seiner Hauptfigur.
Was würden Sie sagen, wenn an einem einzigen Tag Ihr Kind ins Koma fiele, Ihre Frau bei einem Verkehrsunfall ums Leben käme, Ihre Firma pleite ginge und ihr Anwesen niederbrennen würde? Hartmut Trössner verfällt in starres Schweigen. Zunächst. Er ist ein moderner Hiob, kein gläubiger Mensch, die „Warum?“-Frage richtet er deshalb an sich selbst und nicht hadernd an Gott. Antworten kriegt Trössner von seinem namenlosen, zynischen Alter Ego. Trössners zweites Ich kommt aber nicht nur frech und vorlaut daher, es macht seinen Herrn auch wieder robust und gesellschaftsfähig, so dass dieser wenige Monate nach der Katastrophe in den Zug nach Berlin steigen kann – wo für uns die Geschichte beginnt.
Das Spielen mit zwei Identitäten, das Gezänk der beiden ist die große Stärke der Handlung. Nicht nur der Held verheimlicht seinem Alter Ego, was er in Berlin überhaupt vorhat. Auch die Leser kriegen im Widerstreit zweier Persönlichkeiten erst raus, was passiert ist, als eine junge Frau Trössner anspricht und ihn überredet, ihr sein Leben zu erzählen. Trössner war Großunternehmer, erfolgreicher Hersteller von Windkrafträdern – ohne je politisch ein Grüner gewesen zu sein. Außerdem produzierte er bis zu seinem psychischen Zusammenbruch die Politserie „PPC“, die von der gleichnamigen Partei handelt, ganz Deutschland in Atem hält und in der Charlotte Wendler, seine verstorbene Frau, die Hauptrolle spielte. Dass die PPC die christlichen Werte rigoros vertritt, ohne einen Glauben an Gott zu propagieren – geschenkt. Aber sowohl der TV-Erfolg der Serie als auch dessen Herleitung sind der große unrealistische Punkt des Romans. Was so auf der Strecke bleibt – zum zweiten Mal! – ist der Mann ohne Glauben, der Windpark-Unternehmer Trössner. jw
Burkhard Spinnen Rückwind
Schöffling, 2019, 400 S., 24 Euro