Alles ist Sternenstaub: Cassandra Jenkins über „My Light, my Destroyer“
Proust aus dem Stand zitieren kann Cassandra Jenkins bis heute nicht. Dafür hat sie eine Mutter, die ihr den Kosmos erklärt.
Cassandra, für „My Light, my Destroyer“ hast du dir Inspiration aus deiner Jugend geholt. Wer war auf der Highschool denn so alles in deinem CD-Etuis?
Cassandra Jenkins: Die ersten CDs, die mein Vater mir geschenkt hat, waren Joni Mitchells „Blue“ und „Kind of blue“ von Miles Davis. Es hat sich angefühlt wie ein Initiationsritus: Jazz-Dad krönt dich hiermit zur Jazz-Tochter. Vielleicht auch, weil er gesehen hatte, wie ich Radio gehört habe, und nicht wusste, was er von diesen Spicy-Chili-Pepper-Typen halten sollte. Ich habe aber auch „The Bends“ von Radiohead rauf- und runtergehört, und überhaupt die Musik, die Teens in den 90ern gehört haben, von The Offspring bis Hole, von No Doubt bis Stone Temple Pilots. Die Kinks und die Doors habe ich auch geliebt … Jetzt höre ich aber besser mal auf, damit wir nicht die ganze Zeit über die 90er reden. (lacht)
Dann waren die Aufnahmen ein einziger Nostalgietrip?
Jenkins: Ich wohne wieder mit meinen Eltern zusammen, also ist mein Teenagerin-Ich sehr lebendig – manchmal mehr, als mir lieb ist. Aber ich mache heute endlich das, was ich damals machen wollte, also habe ich ihr bei diesem Album erlaubt, mit an Bord zu sein. Ich liebe meine Freund:innen sehr, und wenn wir gemeinsam Musik machen, sind unsere jüngeren Ichs uns besonders nahe.
Wie genau haben diese Erinnerungen das Album beeinflusst?
Jenkins: Zum Beispiel ist der Trompetenklang alter Jazzplatten ein paar Mal zu hören. Und „Petco“ etwa ist ein purer Gitarrensong – generell habe ich für das Album viele krasse Gitarrist:innen dazugeholt, ich konnte mich einfach nicht beherrschen. (lacht)
Auf Songs wie „Petco“ erzählst du persönliche Anekdoten, zugleich schwingen aber auch immer die größeren Zusammenhänge mit.
Jenkins: Ich tendiere auf jeden Fall dazu, Dinge mit Bedeutung aufzuladen. Manchmal gehe ich auch zu weit damit, in dieser Hinsicht bin ich ein Aushängeschild für die Millenial-Generation. (lacht) Als ich jünger war, wollte ich unbedingt intellektuell sein und Proust aus dem Stand zitieren können. Aber ich habe irgendwann erkannt, dass ich mich auf diese Weise von mir selbst entfremde. In letzter Zeit liegt mir Kunst am Herzen, die Dinge besonders simpel ausdrücken kann. Meine Lieblingsdichter:innen wie Ann Carson oder Mary Oliver können dich mit denselben Wörtern umhauen, die sie auch im Alltag benutzen. Das versuche ich selbst zu schaffen, auch wenn ich immer wieder scheitere.
Ist das auch ein Grund für die vielen field recordings, die das Album strukturieren?
Jenkins: Ja, ich nehme andauernd auf, was um mich herum passiert, und könnte mir das jeden Tag stundenlang anhören. Ich versuche, ein organisiertes Archiv zusammenzustellen, aber bisher habe ich noch kein System entwickelt. Die Aufnahme mit meiner Mutter in „Betelgeuse“ sticht wahrscheinlich am meisten hervor, dabei ist sie eigentlich nur ein Schnappschuss gewesen. Als das Album Form angenommen hat, haben sich immer mehr kosmische Themen herausgeschält, und diese Aufnahme, in der sie über Konstellationen spricht, hat immer mehr an Bedeutung gewonnen.