Celeste Ng: Kleine Feuer überall
Nach „Was ich euch nicht erzählte“ legt Celeste Ng eine warmherzige und zugleich hintergründige Geschichte vor, die immer mehr zum Pageturner wird.
Direkt mit ihrem Debütroman „Was ich euch nicht erzählte“ katapultierte sich Celeste Ng vor vier Jahren an die Spitze der Bestsellerlisten. „Kleine Feuer überall“ ist das zweite Buch der US-Amerikanerin, und wer hinter der vermeintlich trauten Fassade des Buchcovers Belletristik à la Jodi Picoult vermutet, irrt. Zumindest bedingt. In Shaker Heights, einem gut situierten Vorort Clevelands, geht es gesittet und geordnet zu. Wohlstand ist keine Frage von Geburt und Sozialstaat, sondern Leistung und Disziplin zu verdanken, und alternative Lebensentwürfe sind nicht vorgesehen. So lebt Elena Richardson mit ihrem Anwaltsgatten und den gemeinsamen drei Kindern den pursuit of happiness. Wäre da nicht die jüngste Tochter Isabel, der das Prinzip der Anpassung gegen den Strich geht. Dass nicht sie, sondern womöglich der sterile Lebensentwurf ihrer Umgebung das Problem ist, wird ihr erst bewusst, als die (Lebens)künstlerin Mia mit ihrer Tochter Pearl in die Nachbarschaft zieht. Was oberflächlich wie eine beliebige Mischung aus Familiengeschichte mit sanfter Gesellschaftskritik anmutet, verwebt Ng in ein feines Gespinst aus Entlarven und Eingestehen, aus Versäumnissen und Verfehlungen. Dabei verfangen sich ihre Protagonisten zwischen den selbstgewählten Oberflächlichkeiten, die es unmöglich machen, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Ng macht genau diesen Fehler nicht, denn obwohl „Kleine Feuer überall“ Klischees so gezielt bedient, dass man Shaker Heights auch in Stepford verordnen könnte, gelingt ihr eine sowohl warmherzige als auch hintergründige Geschichte, die immer mehr zum Pageturner wird. vr
Celeste Ng Kleine Feuer überall
dtv, 2018, 384 S., 22 Euro
Aus d. Engl. v. Brigitte Jakobeit