Charlotte Brandi: „Oh, dass ich doch nur eine Pflanze werde“
Gemeinsam mit dem Tocotronic-Sänger zweifelt Charlotte Brandi in „WIND“ an den Vorzügen des Daseins als Mensch.
Bei Charlotte Brandi stehen grad alle Zeichen auf Anfang: Nachdem sie sechs Jahren eine Hälfte des Synthpop-Duos Me And My Drummer gewesen war, mit dem sie zwei Alben veröffentlichte, löste sich die Band 2018 auf. Von Me And My Drummer blieb nur noch das Me übrig, und ein Jahr später veröffentlichte die in Dortmund geborene und in Berlin wohnhafte Sängerin bereits ihre erstes Soloalbum „The Magician“.
Ein Tempo, das Brandi wohl auch so souverän einhalten kann, weil sie schon seit 2015 erste Pläne für ein Solo-Album gehegt hat. Vielleicht ist es der lange angestauten Kreativität der Sängerin geschuldet, wenn sie jetzt nachlegt – und hat auf der neuen Single „WINDS“ gleich noch eine weitere Neuerung in Petto.
Charlotte Brandi: Zweifel am Menschssein in „WIND“
„WIND“ ist nämlich der erste Song, in dem Brandi auf Deutsch singt. Dabei erhält sie tatkräftige – und fachkundige – Unterstützung: Dirk von Lowtzow, seines Zeichens Sänger der Gruppe Tocotronic, ist als Featuregast mit von der Partie. Gemeinsam spielen die beiden einen sanften Indiepop-Schleicher, der inhaltlich jedoch alles andere als leichtgewichtig daherkommt.
Denn von Lowtzow und Brandi kontrastieren die leicht-groovigen Töne mit einem Text, der, ihrer coolen Darbietung zum Trotz, mit einer potenziell durchaus abgründigen Thematik hadert: Charlotte Brandi wünscht sich, ihrem Dasein als Mensch zu entkommen. „Oh, dass ich doch nur eine Pflanze werde/oh, dass mir dieser enge Stengel verholzt!“, singt sie gleich zu Beginn.
In der vollen Länge entpuppt sich der Text als emotionale Bestandsaufnahme. Der Wunsch, zur Pflanze zu werden, offenbart sich als spröder Witz, die Angleichung des Körpers an die Seele: „Mein Herz pocht verstaut im Kellergeschoss/hinten in einer Ecke, defekt“, und später: „Stell mich nah ans Fenster, dann sehe ich raus/was die Menschen so treiben/das tu ich nämlich eh schon seit Jahren/als Pflanze kanns endlich so bleiben“.
Vertonte Gedichte aus der Quarantäne
Eine Gefühlslage, die nicht von ungefähr kommt. Eigentlich wollte Brandi dieser Tage nämlich an ihrem zweiten Soloalbum arbeiten. Dass nun doch alles anders kam – und warum – muss hier nicht groß ausgeführt werden. Stattdessen entschloss sich die Sängerin, einige ihrer Gedichte zu vertonen, und so kam es zu ihrem ersten Song auf Deutsch.
Ein Lichtblick? Vielleicht. Denn wie Brandi selbst sagt, hat sich für sie mit der Hinwendung zur Muttersprache eine ganz neue Welt der Möglichkeiten eröffnet: „Das macht unheimlichen Spaß“, sagt die Sängerin, „weil es eine mir früher nicht bekannte Kraft hat, auf seiner Muttersprache zu texten.“ Hoffen wir angesichts des großartigen ersten Versuchs, dass Brandi schnell bald noch mehr ihrer Gedichte vertont.