Charlotte Gainsbourg: Rest
Auf ihrem neuen Album orientiert sich Charlotte Gainsbourg am Clubsound – um einen schweren Schicksalsschlag zu verarbeiten.
Charlotte Gainsbourg, die Tochter von Jane Birkin und Serge Gainsbourg sowie selbst eine der berühmtesten französischen Künstlerinnen ihrer Generation, lebt nun schon seit drei Jahren in New York, und kaum jemand hat es mitbekommen. „Wir haben uns hier so etwas wie einen Kokon gesponnen“, sagt die 46-jährige Schauspielerin und Sängerin beim Treffen im Plattenfirmenbüro nahe des Times Square. „Wir brauchten Zeit und Ruhe für uns, als Familie. Ich kannte kaum jemanden, als wir herzogen, und auch jetzt sind die meisten Kontakte eher flüchtig. In erster Linie versuche ich, eine Mutter und Ehefrau zu sein und mich aufs tägliche Alltagsleben zu fokussieren.“
Der Anlass, warum Charlotte, der Schauspieler und Filmemacher Yvan Attal sowie die 15 und sechs Jahre alten Töchter Alice und Jo (Sohn Ben, 20, lebt in England und „versucht, herauszufinden, was er so anstellen will im Leben“) Paris verließen, ist äußerst traurig. Ende 2013 starb Gainsbourgs vier Jahre ältere Halbschwester Kate Barry bei einem Sturz aus dem Fenster. „Danach musste ich Paris verlassen und versuchen, ein neues Leben in einer neuen Umgebung zu finden“, sagt Gainsbourg. Der Familienrat entschied sich für New York, und hier leben sie nun im West Village. „Der Umzug hat mir wieder die Möglichkeit gegeben zu atmen, auch wenn ich mich Frankreich nach wie vor sehr verbunden fühle und auch nicht für immer in New York bleiben möchte.“ Ohnehin pendelt Gainsbourg recht häufig, und auf „Rest“, ihrem neuen Album, wechselt sie zwischen englischer und französischer Sprache hin und her. Vorerst hat sie sich also im neuen Leben eingerichtet, und „Rest“ ist gewissermaßen der Soundtrack dazu.
Extrovertierter klingen die neuen Songs: „Sylvia says“ etwa ist eine formidable Disco-Nummer, auch „Deadly Valentine“ taugt für den Club, und „Songbird in a Cage“ ist fast schon HipHop. „Meine Schwester liebte Disco, und ich hörte halt mit. Die Idee hinter der Platte nahm nach Kates Tod richtig Gestalt an: Ich wollte harte, brutale, wütende Sounds auf meine weiche und eher sanfte Stimme prallen lassen und schauen, was passiert.“ Produzent ist der französische Elektromusiker Sebastian Akchoté alias SebastiAn, doch im Gegensatz zu den bisherigen Alben „5.55“ (Jarvis Cocker) und „IRM“ (Beck) stammen die Songtexte zum ersten Mal überwiegend erstmals von Charlotte Gainsbourg höchstpersönlich. „Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich beim Schreiben solch ein Vergnügen empfinde“, sagt sie und lächelt. „Als ich mich in die Arbeit hineingefunden hatte, machte das sogar richtig Spaß.“
Steffen Rüth