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Gonz oder gar nicht: Chilly Gonzales über sein neues Album „Gonzo“

Gonzo-Album

Auf „Gonzo“ rechnet Chilly Gonzales mit seinem Pseudonym, der eigenen Geschichte und der Neoklassik ab – und er rappt zum ersten Mal auf Deutsch.

Chilly, gleich am Anfang deines neuen Albums singst du über dein Alter Ego: „First I was in love with it, now I’m stuck with it“. Verbindet dich mit Chilly Gonzales eine Hassliebe?

Chilly Gonzales: Bei der Zeile geht es um die Zeit, als ich angefangen habe, Texte zu schreiben. Damals wollte ich die ganze Zeit Gonzo sein. Tatsächlich habe ich bis 2012 niemandem erlaubt, mich Jason zu nennen, außer meinen Eltern vielleicht. (lacht) Dann habe ich eine Therapie angefangen. Wir haben alle Rollen, die wir spielen, aber bei mir war es buchstäblich so. Nach zehn Jahren Therapie kann ich die Wirklichkeit akzeptieren: Heute bin ich Jason, wenn ich nicht arbeite. Aber bei der Arbeit liebe ich noch immer die Gonzo-Fantasie.

Der Name ist auch eine Art Uniform?

Gonzales: Und es kann auch aufdringlich sein, wenn jemand dich unbedingt bei deinem echten Namen nennen will. Leute, die früher auf Jason bestanden haben, obwohl sie mich gar nicht persönlich kannten, waren genau so problematisch wie mein Bestehen auf Gonzo. Heute finde ich es lustig, wenn ich etwa mit Haiyti abhänge und dann jemand ruft: Hallo, Ronja! Ich hatte keine Ahnung, dass das ihr Name ist.

Haiyti und Deichkind sind zwei deutsche Acts, denen du auf dem Album ein Shout-out gibst, in deinem ersten deutschsprachigen Rap „I.C.E.“. Wie stehst du zur deutschen Rapszene?

Gonzales: Ich bin ein großer Fan von Rap, vor allem aus den USA und Frankreich. Weil ich beide Sprachen fließend spreche, habe ich da viel Sicherheit, was meinen Geschmack angeht. Im Deutschen ist es schwieriger für mich, also suche ich immer nach Empfehlungen. Durch die Tochter eines Freundes habe ich Haiyti kennengelernt und bin selbst Fan geworden. Ich habe sie jahrelang ergebnislos in den Sozialen Medien kontaktiert. Eines Tages ist sie zu einem Konzert von mir gekommen, wir haben uns kennengelernt und zusammen die Single „Lobby“ gemacht. Ich will aber auch betonen, dass weder Haiyti, Deichkind noch ich selbst Rapmusik machen könnten ohne die Vorarbeit der Leute, die diese Kultur erst erschaffen und legitimiert haben, sodass auch Leute mit eher elitärem Hintergrund sie nutzen können.

Das ist auch der Hintergrund für „Neoclassical Massacre“. Seit deinem Album „Solo Piano“ von 2004 zählst du zu den Vorreitern dieses Genres, siehst die Entwicklungen darin aber auch sehr kritisch …

Gonzales: Der Song mag sehr spezifisch wirken, aber es geht darin auch darum, wie wir heutzutage Kultur konsumieren. Wir sind alle von den Algorithmen verändert worden. Ich habe Respekt vor Hintergrundmusik, aber sie kann als Waffe genutzt werden, als Muzak, den man in Supermärkten spielt, um Leute zum Kaufen zu animieren. Neoklassik ist moderner Muzak, der dir eine Auszeit vom Tempo der Konsumkultur verspricht. Aber diese Auszeit ist illusorisch: Es geht darum, dass du weiterscrollst. Schon jetzt gibt es Neoklassik-Playlisten, die von Künstlicher Intelligenz generiert sind, der Mensch ist gar nicht mehr involviert. Ein poetisches Ende für die Geschichte der Neoklassik.

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