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Christian Kracht: Die Toten

Christian Kracht gruselt sich gerne. Und historisch gibt es kein effektvolleres Gruselsujet als den Faschismus, weswegen der in „Die Toten“ knöchern ins Heute herüberwinkt. Frühe 1930er: Der japanische Kulturfunktionär Amakasu Masahiko möchte dem US-amerikanischen Kino (und insbesondere dem von ihm verachteten Tonfilm) eine Alternative gegenüberstellen und plant eine filmische Achse Berlin-Tokio, als Vorwegnahme der politischen Achse zwischen japanischem Kaiserreich und deutschen Nationalsozialisten. Ein deutscher Regisseur soll mit deutschen Stars in Japan drehen, Komödie, Horrorfilm, egal. Nur dass Masahiko keinen Fritz Lang und keinen Heinz Rühmann nach Fernost locken kann, sondern gerade mal den Regisseur Emil Nägeli. Der nicht einmal Deutscher ist, sondern Schweizer, aber man nimmt, was man kriegt, und immerhin bringt Nägeli seine Verlobte Ida mit, die der Japaner erst einmal auf den Futon lockt.

Bern-Berlin-Tokio, am Ende Hollywood, das ist hübsch satirisch beschrieben, wenn auch Kracht-typisch gestelzt und genau genommen ziemlich vorhersehbar. Eine echte Analyse faschistischer Kulturpolitik gelingt dem Autor nicht, gegen wen sich die Satire tatsächlich richtet, bleibt unklar, und angesichts der überraschend explizit geschilderten erotischen Passagen wird deutlich, dass die Charakterisierung des Autors als großer Stilist ein fatales Missverständnis war – Kracht kann gar nicht schreiben, er kann nur eindrucksvolle Sätze drechseln, die an Charme verlieren, wo das Sperma spritzt. Im Nachklapp immerhin ahnt man, was aus diesem Roman hätte werden können: Auf wenigen Seiten rettet Charlie Chaplin (!) die Welt vor dem kulturellen Faschismus, wird mehrfach verstörend schön gestorben, scheitert Ida tragisch in der US-Filmindustrie. Da ahnt man, dass „Die Toten“ mehr hätte sein können als nur schöner Grusel. Aber, ach, Kracht ist einer, den in erster Linie das Gruseln interessiert.

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