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Compay Segundo

Als Compay Segundo 1907 geboren wurde, war Ragtime gerade das next big thing. Jahrzehnte war er ein Star; später verblaßte sein Stern. Doch heute feiert der 91jährige ein Comeback – dank Ry Cooders „Buena Vista Social Club”, wo Compay den afrokubanischen Son abgeklärt und begeisternd spielte. 1998 ist Compay eine der coolsten Cats Kubas – und hat mit „Lo mejor de la vida“ (eastwest) ein höchst vitales Album herausgebracht.

KULTUR!NEWS: Señor Segundo, in einem Ihrer Stück heißt es: „Das Leben hat mich schlecht behandelt.“ Gilt das auch für Sie?

Compay Segundo: Es geht ja noch weiter: „Deshalb geh ich an die Bar und schütte mich voll, um zu vergessen.” Aber das ist nicht mein Leben. Das ist ein Trinker, der sagt, daß das Schicksal ihn hart behandelt – aber in Wirklichkeit ist das seine eigene Schuld. Schließlich bittet er Gott um Vergebung, weil er ein so schlechtes Leben führt.

K!N: Ist das ein typisch kubanischer Charakter?

Segundo: Ich habe schon als Kind gesehen – und es hat mich zu Tränen gerührt – wie Familienväter die ganze Woche über hart gearbeitet und samstags das ganze Geld versoffen haben. Einer von denen hatte es immerhin noch fertiggekriegt, die Lebensmittel für seine Familie zu kaufen. Sein Haus lag oben am Hügel, und betrunken wie er war, fiel er hin, und die ganzen Sachen rollten die steile Straße wieder herunter. Das hat mich sehr traurig gemacht,

K!N: Hätten die meisten Kinder nicht darüber gelacht?

Segundo: Mich traf das tief. Ich komme aus einer armen Familie und weiß, wie hart es für die Eltern war, uns acht Kinder durchzubringen. Ich wußte, wie die Kinder in jener Familie das erleben mußten.

K!N: Wie fanden Ihre Eltern es denn, als sie sich daran machten, Musiker zu werden?

Segundo: Sie waren einverstanden, denn so trieb ich mich nicht herum. Ich habe nebenbei schließlich auch gearbeitet – in einer Tabakfabrik, als Frisör und als Maler. Und auch auf dem Land: pflügen, Ochsen antreiben. Die siebeneinhalb Pesos, die ich damals pro Tag verdiente, habe ich meiner Frau gegeben für den Haushalt, und was durch die Musik hereinkam, haben wir gespart. Nach zwölf Jahren konnte ich mir ein schönes Haus bauen.

Interview: Rolf von der Reith

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