Crack Cloud über „Red Mile“: Für immer Punk?
Crack Cloud verraten ihre subkulturellen Wurzeln nicht – gerade weil sie jetzt so anschmiegsam und eingängig klingen.
„An bestimmten Punkten im Leben musst du dich entscheiden, ob du zur Knarre oder zu einem Instrument greifst. Auch deshalb ist die Gitarre für mich seit meinem zwölften Lebensjahr extrem wichtig“, sagt Allem Khan – und danach ist es in der Zoom-Konferenz mit seinen Crack-Cloud-Kollegen für ein paar lange Sekunden extrem still. „Das ist jetzt sehr zugespitzt formuliert“, bricht Schlagzeuger, Sänger und Songschreiber Zach Choy schließlich mit einem Lachen das Schweigen, „aber es drückt auch die Dringlichkeit ziemlich gut aus, mit der wir an unsere Musik gehen.“
Und auch Bryce Cloghesy, der neben der Gitarre das Saxofon spielt, ist jetzt amüsiert: „Ich hoffe, dieses Zitat fliegt dir nicht mal um die Ohren, weil es aus dem Zusammenhang gerissen wird, Allem.“ Zur Sicherheit sei also noch mal betont, dass es hier um das Anderssein und die Schwierigkeit geht, einen Platz in der Welt zu finden. Alle Mitglieder von Crack Cloud sind mit Punk sozialisiert worden – doch hat sich ihr Blick auf diese Kultur in jüngster Zeit entscheidend verändert.
Kennengelernt hat sich die von Zach Choy angeführte Truppe im Rahmen verschiedener Suchtheilungsprogramme in Vancouver, in denen fast alle von ihnen als Teilnehmende oder als Sozialarbeiter:innen involviert gewesen sind. Doch unklar ist schon, ob Crack Cloud nun eher Band oder Kollektiv sind: Nach mehreren Wechseln im Line-up gibt es im Kern zwar sieben Musiker:innen, doch dazu kommen stets auch diverse Multimedia-Künstler:innen, die sich um die visuelle Umsetzung der Musik kümmern. Und auch Genrebezeichungen wie Artpunk sind eine äußerst wacklige Hilfskrücke, denn auf den seit 2016 veröffentlichten EPs und zwei Alben wechseln Crack Cloud auch schon mal innerhalb eines Songs zwischen Postpunk, brachialem Elektro, HipHop und Pop.
Keinen Bock auf Kurt
Zwar ist diese stilistische Unberechenbarkeit auch auf dem jetzt erscheinenden dritten Album noch da, doch ihr größtenteils in der US-amerikanischen Mojave-Wüste aufgenommenes „Red Mile“ überrascht mit umarmender Wärme und so eingängigen Songs wie „The Medium“ und „Blue Kite“. Das von Kurt Cobain aufgegriffene Neil-Young-Zitat ist für Crack Cloud nicht attraktiv: „It’s better to burn out than to fade away“. Mit Verrat an ihren Punk-Wurzeln oder gar Ausverkauf hat es für sie dennoch nichts zu tun, wenn sie sich lieber an der von Iggy Pop geprägten Parole „Lust for life“ orientieren. „Ich habe als Junkie auf der Straße gelebt, und viele, mit denen ich damals abgehangen habe, sind heute tot. Soll ich das romantisieren?“, ereifert sich Choy.
Für ihn ist es durchaus Punk, die Verbindung zu anderen zu suchen – nur eben nicht mit den immergleichen, meist viel zu simplen Parolen, die der Bankrotterklärung einer Subkultur gleichkommen. „Wenn du nicht stirbst, wirst du älter. Aber wenn du nichts Neues mehr entdecken willst, stirbst du in gewisser Weise auch“, sagt er. Crack Cloud halten mit sehr persönlichen Songs dagegen. Und sie horchen immer wieder aufs Neue in sich rein, warum es in dieser Welt so schwer ist, einen Platz zu finden.