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Das Poesiefestival Berlin – 50 Jahre Stonewall

20. Poesiefestival Berlin

Vom 14. bis zum 20. Juni sind im Berliner Haus für Poesie unter anderem Edmund White, Xi Chan, Marion Poschmann und Raúl Paz zu Gast.

Welche Rolle spielen Worte in einer Kultur? Es ist die Aufgabe von Poesie, dieser Frage nachzugehen. Das 20. Poesiefestival in Berlin widmet sich dieses Jahr der Bedeutung des Wortes Stonewall. Das Stonewall Inn dürfte hier als Begriff lediglich in Verbindung mit der Christopher Street Bedeutung erlangen: Der Christopher Street Day ist ein deutschsprachiges Phänomen, doch auch die amerikanischen Bezeichnungen Gay Pride oder Pride Parade laufen Gefahr, sich vom Kern der Geschichte dieses Ortes zu entfernen.

Am 27. Juni 1969 wurde das Stonewall Inn zum Schauplatz eines zweitägigen Aufruhrs. Ausgehend von wiederholten Razzien unter leeren Vorwänden wurden in der Homosexuellenbar in New York immer wieder Schwule, Lesben, Trans*-Menschen und Drag Queens beschimpft, verhaftet und schikaniert. Etwa 1.000 Menschen brachten ihre Wut ob der Repressionen zum Ausdruck. In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich das Datum zum Fokalpunkt für anhaltende Demonstrationen von LGBTQI*-Menschen, um für gleiche Rechte und mehr gesellschaftliches Bewusstsein einzutreten.

Doch wo steht Stonewall heute? Die vermeintliche breitgesellschaftliche Akzeptanz zumindest der Homo-Ehe hat sich im Zuge des reaktionären Backlashs, der sich derzeit in Europa abzeichnet, als Irrtum erwiesen: Ein großer Teil der Gesellschaft hat andere Lebensmodelle und Identitäten lediglich toleriert, nicht akzeptiert – und das nur, solange ihre Bigotterie keine offene Repräsentation in der Politik fand. Im Zuge dessen muss auch die mediale Präsenz der Gegenbewegung überdacht werden. Der Christopher Street Day bedeutet für viele mindestens genau so sehr Schlagermove wie politisches Statement – die gelebten Realitäten, die zu den Stonewall-Aufständen geführt haben, laufen Gefahr, vergessen zu werden, wenn das Wort Stonewall aus dem Diskurs verschwindet.

 

 

Daher stellt sich das 20. Poesiefestival in Berlin zum 50. Jubiläum der Aufstände die Frage, wie sich der Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung von LGBTQI*-Menschen in der Poesie niedergeschlagen hat.

Das diesjährige Poesiefestival wird mit der Podiumsdiskussion „Stonewall was a riot!“ eröffnet. Der Zeitzeuge, Autor und Wissenschaftler Edmund White, die Schriftstellerin und Essayistin Eileen Myles und der Dichter Jericho Brown stellen sich gemeinsam die Frage, welche Bedeutung Stonewall für die LGBTQI*-Autor*innen nachfolgender Generationen trägt und was vom Geist der Revolte heute übrig geblieben ist.

Im Programm des Poesiefestivals finden sich außerdem die Inszenierung von Walt Whitmans „Grasblättern“ durch Jürgen Brôcan. Walt Whitman ist als schwuler Dichter, der seine Sexualität auch in seinen Gedichten bereits im 19. Jahrhundert thematisierte wohl eine der ersten queeren Stimmen in der amerikanischen Kultur, die durch seine zentrale Stellung im amerikanischen Literaturkanon von jeder Generation neu entdeckt wird. In Brôcans Inszenierung der „Grasblätter“ trifft eine moderne, heterogene Gesellschaft vor einem Trailerpark zusammen auf das Versgedicht, und entdecken dadurch seine Botschaft über Freiheit und die Überwindung von Grenzen aufs Neue.

Schließlich gibt es neben klassischen queeren Autor*innen wie Whitman, White und Myles auf dem Poesiefestival auch neue Künstler*innen zu entdecken: Der junge, südafrikanische Slam-Poetry-Star Lee Mokobe behandelt in seinen Performances sowohl soziale und politische Themen, als auch seine persönliche Erfahrung als schwarzes, transqueeres Mitglied der LBGTQI*-Community, und der Dichter und Künstler Urayoán Noel setzt sich mit den fluiden Übergängen bilingualer Identität auseinander.

Das volle Programm und weiter Informationen findet ihr auf der Website des Hauses für Poesie.

Tickets für das Poesiefestival gibt es bei Eventim.

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