David Mitchell – Die Knochenuhren
Geist ist geil: Mit „Die Knochenuhren“ ist David Mitchell in anderen Welten unterwegs.
Mag man David Mitchell, dann ist diese Zuneigung in der Regel auch nicht durch Genredünkel zu erschüttern: Wer historische Romane sterbenslangweilig findet, macht bei „Die tausend Herbste des Jacob de Zoet“ eine Ausnahme, und wer meint, über Coming-of-Age-Geschichten hinaus zu sein, zählt den mit biografischen Bezügen spielenden Roman „Der dreizehnte Monat“ dennoch zu seinen Lieblingsbüchern. Mit seinem bisher größten Erfolg trieb der britische Autor das Spiel mit den Gattungen auf die Spitze: „Der Wolkenatlas“ bündelte sechs Handlungsstränge, die jeweils in einer anderen literarischen Form verfasst sind. Jene Struktur greift Mitchell mit seinem neuen Buch auf – und geht natürlich noch ein ganzes Stück weiter: „Die Knochenuhren“ ist ein Fantasy-Roman, den auch all diejenigen lieben werden, die das Genre eigentlich hassen.
Die Handlung setzt mit einer 15-jährigen Erzählerin ein, die in den 80ern aus einem Londoner Vorort abhaut, weil ihre Eltern sie nicht verstehen und der Freund mit der besten Freundin schläft. Dann folgt ein Zeitsprung, und die nächste Episode unter schnöseligen Cambridge-Studenten in den 90ern liest sich wie ein früher Roman von Bret Easton Ellis. Und natürlich dürfen weder eine Persiflage auf den internationalen Literaturbetrieb noch ein Endzeitszenario fehlen. Wenn bei all dem im Hintergrund auch Irreales und Unheimliches passiert, kann man das lange Zeit als Beiläufigkeit behandeln. Erst im vorletzten der sechs miteinander verwobenen Teile dreht Mitchell in Sachen Fantasy richtig auf – und da ist man längst von seinen detailscharfen Figurenzeichnungen und dem weltsatten Plot gefesselt, dass man auch als Fantasy-Hasser mitgeht.