Deerhunter: Why hasn’t everything already disappeared?
Schon die titelgebende Frage suggeriert, dass es natürlich auch auf dem achten Album des US-Quintetts nicht um Wohlfühlmomente geht: Warum nimmt man als Musiker überhaupt noch Alben auf, wenn die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne gerade mal dazu ausreicht, sich durch Playlisten zu skippen? Und überhaupt: Wie lange wird die Menschheit generell überleben, wenn wir weiterhin so zielgerichtet auf die ökologische Vollkatastrophe zusteuern? Seit nunmehr 15 Jahren stellt Bradford Cox die letzten großen Fragen, doch abstrahiert er mehr und mehr von den eigenen, durchaus zahlreichen Lebenskrisen, um sich als Geschichtenerzähler zu etablieren, der in dem vermeintlich fröhlichen und überraschend eingängigen Song „No one’s sleeping“ etwa die Ermordung der britischen Politikerin Jo Cox durch den rechtsextremen Brexit-Befürworter Thomas Mair zugrunde legt. Bradford Cox öffnet auch den Sound seiner Band: Waren „Fading Frontier“ und insbesondere „Monomania“ zuletzt eher in sich geschlossene Garagenrockalben, so dominiert auf „Why hasn’t everything already disappeared“ ein popaffiner und ständig die Richtung wechselnder Weird-Pop, was nicht zuletzt auch ein Verdienst der an der Produktion beteiligten walisischen Musikerin Cate Le Bon sein dürfte. Die Single „Death in Midsummer“ wird von Klavier und dem Cembalo getragen, auf „Element“ dominieren Streicher, und „Plains“ ist mit einem Afrobeat grundiert. Während der verfremdete Gesang von „Détournement“ an eine außerirdische Botschaft aus der Zukunft denken lässt, singt Cox im letzten Song des Albums durch ein kaputtes Mikro, das Textbausteine von „Nocturne“ verschluckt. Zurück bleiben nur ein paar verschwinden brüchige Klavierakkorde. cs