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Die besten Bücher 2024: Empfehlungen für den August

Die besten Bücher im August 2024: Buchcover von Dror Mishani, Benedict Wells, Jackie Thomae, Laura Naumann, John Wray und Sanam Mahloudji

Die Herbstsaison ist eröffnet: Die besten Bücher im August 2024 mit Jackie Thomae, Benedict Wells und Amor Towles.

John Wray widmet seinen neuen Roman dem Heavy Metal – aber wird er mit „Unter Wölfen“ auch unsere Liste der besten Bücher im August 2024 anführen? Einen Spitzenplatz auf unserer Liste der besten Bücher im August 2024 peilt natürlich auch Benedict Wells mit „Die Geschichten in uns – Vom Schreiben und vom Leben“ an. Und natürlich zählt auch Jackie Thomae zu den Favoritinnen: Nach „Brüder“ geht es in ihrem neuen Roman „Glück“ um zwei Frauen, die sich mit um die 40 der drängenden Frage einer möglichen Mutterschaft stellen müssen.

Mit „Seinetwegen“ geht Zora del Buono auf unserer Liste der besten Bücher im August 2024 ins Rennen: In dem autofiktionalen Roman untersucht sie den Unfalltod ihres Vaters im Jahr 1963. Mit dem queeren Surferinnen-Roman „Haus aus Wind“ von Laura Naumann steht auch ein Debüt auf unserer Liste der besten Bücher im August 2024. Und Dror Mishani steuert das Tagebuch „Fenster ohne Aussicht“ bei: Der israelische Schriftsteller fährt Motorrad und liest postkoloniale Klassiker, um das Massaker vom 7. Oktober zu verarbeiten. Oder stehen Amor Towles oder Sanam Mahloudji auf unserer Liste der besten Bücher im August 2024 ganz oben?

Die besten Bücher im August 2024

8. Amor Towles: Eve

Die besten Bücher im August 2024: Buchcover „Eve“ von Amor TowlesIm Jahr 1938 fährt die junge Evelyn Ross, kurz Eve, mit dem Zug nach Hollywood und schließt schon im Speisewagen Freundschaft mit dem Polizisten Charlie. Die kommt ihr allzu bald gelegen, denn kaum in Kalifornien angekommen, wird sie Teil der glamourösen Welt der Filmstars. Als ihre Freundin, die Schauspielerin Olivia de Havilland, mit Nacktfotos erpresst werden soll, nimmt Eve die Sache in die Hand – mit Hilfe von Charlie, dem abgehalfterten Ex-Star Prentice und ihrem eigenen Einfallsreichtum.

Amor Towles tobt sich mit spürbarer Freude in der Welt des klassischen Film noirs aus. Mit „Eve“ nimmt er die zerbrechlichen Fassaden der Reichen und Schönen und die Intrigen der Filmstudios auseinander wie zuletzt „L.A. Confidential“. Gleichzeitig bricht Towles mit den Konventionen des Genres, indem er mit Eve die klassische Femme fatale – schön, mysteriös, selbstbestimmt – zur Heldin macht, gegen deren Charme und moralische Integrität kein Mann eine Chance hat. Gerade am Anfang des Romans geht Towles hier ein wenig zu weit, denn bis zum zweiten Drittel sehen wir Eve nur durch die Augen anderer – sie selbst verkommt dadurch zeitweise zu der zweidimensionalen Figur, mit der Towles eigentlich brechen will.

Die Erklärung, warum wir nur wenig über Eves Hintergrund erfahren: Den hat Towles bereits in seinem ersten Roman „Eine Frage der Höflichkeit“ von 2011 geschildert, „Eve“ ist gewissermaßen ein Spin-off. Zum Glück eines, das auch ohne Vorwissen (fast) reibungslos funktioniert.

Hanser, 2024, 224 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Susanne Hobel

7. Laura Naumann: Haus aus Wind

Buchcover „Haus aus Wind“ von Laura NaumannEndlich ein Surfroman ohne Surferboys, doch geht es bei dem Debüt der Theaterautorin Laura Naumann gar nicht primär um das leider immer noch so dringend nötige Besetzen von Leerstellen, denn „Haus aus Wind“ trägt eine eigene Dringlichkeit in sich. Bereits mit elf beginnt die Protagonistin Johanna ihre Karriere als Synchronsprecherin, doch erst, als sie sich viele Jahre später von ihrer langjährigen Partnerin Rosa trennt, fordert all das vermiedene Beschäftigen mit sich selbst seinen Tribut.

Johanna fehlt die Kraft, nach einem Sommerurlaub in ihren Berliner Alltag zurückzukehren. Sie bleibt an der Algarve, kappt alle Verbindungen und jobbt in einem Surfcamp, wo sie sich gleich doppelt verliebt: in die Profi-Surferin Luz, die ihre Karriere aufgeben musste, nachdem sie als queer geoutet wurde. Und in die deutlich ältere Australierin Robyn, die vielleicht gerade so anziehend auf Johanna wirkt, weil sie ganz offensichtlich etwas zu verbergen hat. Doch irgendwann sind die girls of summer verschwunden, Johanna bleibt allein in Portugal zurück, und Laura Naumann untersucht mit einem Wechsel aus Empathie und harter Sprache, ob es ihrer Heldin gelingt, sich selbst wieder zusammenzusetzen.

S. Fischer, 2024, 332 S., 24 Euro

6. John Wray: Unter Wölfen

Buchcover „Unter Wölfen“ von John WrayJohn Wrays sechster Roman handelt von Metal – aber das sollte Genrefremde nicht abschrecken. Wie in den besten Skizzierungen einer Szene geht es in „Unter Wölfen“ nicht vorrangig darum, welches Slayer-Album jetzt das beste ist (ich nominiere „South of Heaven“), sondern darum, warum diese Frage den Mitgliedern der Szene so wichtig ist. Und wer selbst jemals Teil einer Subkultur gewesen ist – egal welcher – der wird bei dem Roman des US-amerikanisch-österreichischen Autors seine helle Freude haben.

„Unter Wölfen“ ist da am besten, wo Wray die Verbindung seiner Protagonist:innen untereinander und ihren Platz in der Szene verwebt. Da ist Kip Norvald, dessen Vater im Gefängnis sitzt und dessen Mutter lange unerwähnt bleibt. Gerade in Florida angekommen, zieht er bei seiner Großmutter ein und wird allein schon dadurch zum Außenseiter, weil sonst in Venice Beach jede:r jede:n kennt. Er freundet sich mit Leslie an, dem queeren, Schwarzen Adoptivsohn eines weißen, für die beiden unendlich alten Ehepaares, der ihn direkt ins kalte Wasser wirft, als er ihm die Debüt-LP von Death vorspielt. Die Band also, die vielleicht alleinig für die Genrebeschreibung Death Metal verantwortlich ist – Nerds streiten sich darüber immer noch. Hier sind sie jedoch noch nicht die wichtigsten Vertreter der Florida-Szene, sondern die Band des Cousins von jemandem, mit dem Kips Oma zur Kirche geht. Von Leslie und seinem schier enzyklopädischem Wissen über Equipment und Diskografien und seinen fachmännischen Meinungen geleitet, wird Kip schnell zum Teil der Metalszene, wo er auch Kira kennenlernt. Leslie, der mit ihrem Gras dealenden Cousin schläft, attestiert diesem offenkundig traumatisierten Mädchen einen „waschechten Todeswunsch“ – und das ist die größte Schwäche von „Unter Wölfen“.

Es ist schade, dass Kira auf der Reise, die das Trio durchmacht, immer mehr zur Karikatur des beschädigten Mädchens wird, auf das alle Typen stehen. Für Kip und Leslie ergibt das Sinn, die beide auf ihre Art Kira verfallen, und sogar für die Metalszene generell, die auch heute noch ein gravierendes Frauenproblem hat. Nicht aber für einen Autor, der es sonst – auch und gerade in diesem Buch – so genau versteht, dreidimensionale Figuren zu schreiben. Als es das Trio nach dem Schulabschluss nach L.A. verschlägt, wird Kira zunehmend eindimensional: Während Kip quasi durch Zufall zum Musikjournalisten wird und Leslie einem Arschloch verfällt, das in einer Glam-Band spielt, geistert Kira als abgebrühte Szenebraut durch die Handlung. Ihre einzige Rolle besteht darin, in einer Bar zu arbeiten und eine Beziehung mit Kip anzufangen, die sie beide nach Europa führt und natürlich nicht funktioniert. Im dritten Teil, der sich nach Death und Glam Metal der norwegischen Black-Metal-Szene widmet, ist sie fast vollständig abwesend, denn natürlich müssen Kip und Leslie nach ihr suchen und sie retten.

„Unter Wölfen“ ist ein pointierter Roman, in Zügen ist er sogar großartig, doch es bleibt der Wunsch, dass Wray diese Geschichte aus der Sicht von Kira erzählt hätte. Eine selbstzerstörerische Sehnsucht nach etwas Echtem verbindet Wrays Figuren, doch es ist Kira, die dieses Merkmal der Metalszene auf die Spitze treibt. Anders als bei Leslie und Kip erfahren wir allerdings viel zu wenig darüber, was Kira bewegt. Vielleicht weiß John Wray es selbst nicht genau.

Rowohlt, 2024, 475 S., 26 Euro

Aus d. Engl. v. Bernhard Robben

5. Sanam Mahloudji: Die Perserinnen

Die besten Bücher im August 2024: Buchcover „Die Perserinnen“ von Sanam Mahloudji1979 sind die Schwestern Sima und Shirin Valiat vor der Revolution aus dem Iran in die USA geflohen, ihre Mutter Elizabeth und Shirins Tochter Niaz haben sie zurückgelassen. Im Jahr 2005 ist Sima kürzlich verstorben, und Shirin wird wegen eines Missverständnisses als Prostituierte festgenommen. Der drohende Prozess ruft ihre Nichte, die Juristin Bita, auf den Plan – und könnte glatt dafür sorgen, dass die drei Generationen an Frauen zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder vereint sind.

Davor muss allerdings noch das eine oder andere Familiengeheimnis gelüftet werden. Sanam Mahloudji verarbeitet in ihrem Debütroman die eigene Familiengeschichte, doch „Die Perserinnen“ setzt sich von anderer Diasporaliteratur ab – anfangs vor allem durch den Hedonismus ihrer Figuren. Denn die Valiats gehörten einst zu den reichsten Familien des Iran, wir treffen sie, wie sie im Skiresort Aspen Koks schniefen. Im weiteren Verlauf, wenn Mahloudji nicht nur Bita und Shirin, sondern auch Elizabeth, Niaz und schließlich sogar die verstorbene Sima zu Wort kommen lässt, erweist sich ihr Roman als immer noch komplexer und empathischer, bis er sich am Ende zu einer überaus lebendigen, dramatischen, subtilen Familienchronik zusammensetzt – komplett aus weiblicher Sicht erzählt. Ach ja, und sehr lustig ist sie auch noch.

Piper, 2024, 448 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Katharina Martl

4. Zora del Buono: Seinetwegen

Buchcover „Seinetwegen“ von Zora del BuonoIhren italienischen Nachnamen hat Zora del Buono von ihrem Vater, genauso wie ein paar Fotos und eine Handvoll Erinnerungsstücke – selbst erinnern kann sie sich nicht an ihn, denn er ist bei einem Autounfall gestorben, als sie gerade mal acht Monate alt gewesen ist. Sie wurde von ihrer Mutter allein erzogen, offen darüber gesprochen haben sie nie. Nun, da sie auch ihre Mutter an die Demenz verliert, will die inzwischen sechzigjährige del Buono Klarheit: Wer war der Mann, der 1963 ins Auto ihres Vaters gerast ist? Nur mit seinen Initialen bewaffnet beginnt sie, nachzuforschen, ersehnt und fürchtet die Antworten zugleich.

Doch „Seinetwegen“ ist nur teilweise eine Recherche, teilweise eine Mikrobiografie der Schweizer Schriftstellerin, die die Grenzen zwischen sich selbst und ihrer Ich-Erzählerin absichtlich hauchdünn macht. Sehr reflektiert leuchtet sie die Wunden aus, die das Aufwachsen ohne Vater in ihr hinterlassen hat, was dem Roman sogar eine Art Spannungsbogen gibt: Was wird sie tun, wenn sie den Verantwortlichen endlich konfrontieren kann?

C.H. Beck, 2024, 204 S., 23 Euro

TOP 3

3. Dror Mishani: Fenster ohne Aussicht

Buchcover „Fenster ohne Aussicht“ von Dror MishaniDer Angriff der radikalislamischen Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober auf Israel ist zehn Monate her, doch die Auswirkung auf die Kreativen des Landes wird erst jetzt deutlich. Anders als der frühere Geheimdienstoffizier und Schriftsteller Ron Leshem betreibt Dror Mishani mit „Fenster ohne Aussicht“ keine Analyse des genozidalen Massakers. Wie der Untertitel des Buches schon sagt: Es ist ein Tagebuch der Zeit nach dem Massaker. Auch Mishani konnte zunächst nicht wie gewohnt seiner Arbeit nachgehen. Obwohl er – anders als etwa Leshem – keine Toten und Entführten in der Familie zu beklagen hat, saß der Schock über das Massaker tief. Um sich zu beschäftigen, beginnt er, bei der Ernte mitzuhelfen, und bringt Salatsetzlinge für die nächste Ernte aus, er schreibt wie viele andere Schriftsteller Nachrufe auf ermordete Isrealis, und er nimmt an Demonstrationen gegen den Krieg Israels gegen die Hamas teil.

Mishani fährt mit seinem Motorrad kreuz und quer durch Israel bis zum Eukalyptuswäldchen, wo das Musikfestival in einem Blutbad geendet ist. Sensibel beobachtet er die Menschen in ihrer Traumatisierung, schaut aber auch auf die Bettler und Obdachlosen, denen es jetzt noch schlechter geht, dokumentiert die Zerstörungen in Gaza, die verzweifelte Lage der Palästinenser. Um einzuordnen, liest er die Ilias und Stefan Zweig und – den Psychiater und Vordenker der postkolonialen Lehre Frantz Fanon, über den er gerne in Israel einen Essay veröffentlichen würde. Das aber gäbe sicher einen Aufschrei, war Fanon doch von vielen Linken, die den Angriff der Hamas auf Israel als Befreiungsakt feierten, als Kronzeuge herangezogen worden.

Diogenes, 2024, 224 S., 26 Euro

Aus d. Hebräisch. v. Markus Lemke

2. Benedict Wells: Die Geschichten in uns – Vom Schreiben und vom Leben

Die besten Bücher im August 2024: Buchcover „Die Geschichten in uns“ von Benedict Wells„Dieses Buch ist der gescheiterte Versuch, erst mal kein Buch mehr zu schreiben.“ Benedict Wells wollte nicht mehr von einem Roman zum nächsten eilen. Doch dann hat er Student:innen unterrichtet – und das hat auch ihn zurück an den Schreibtisch getrieben: In „Die Geschichten in uns – Vom Schreiben und vom Leben“ erzählt er von Ideen, vom Überarbeiten und Verdichten. Wells stellt sich seinen Erinnerungen an Kindheit und Jugend, und er erklärt, warum ihm ausgerechnet Stephen King ein Mentor gewesen ist.

1. Jackie Thomae: Glück

Buchcover „Glück“ von Jackie ThomaeVor fünf Jahren hat sich Jackie Thomae zwei schwierige Männerfiguren vorgenommen. Die Halbbrüder Gabriel und Mick sind Söhne eines senegalesischen Gaststudenten in der DDR, wachsen bei ihren alleinerziehenden Müttern auf und verfolgen ganz unterschiedliche Lebenskonzepte: Ehrgeiz vs. In-den-Tag-hinein-Leben. Nachdem es „Brüder“ bis auf die Shortlist für den deutschen Buchpreis 2019 geschafft hat, lässt Thomae in ihrem neuen Roman „Glück“ nun zwei Frauen aufeinandertreffen, die sich mit um die 40 der drängenden Frage einer möglichen Mutterschaft stellen müssen. Anahita Martini ist Senatorin für Bildung, Jugend und Familie – und sie ist kinderlos. Natürlich könnte sie zum Postergirl gegen das Singleshaming werden, wodurch auch endlich das Gerede über ihren Migrationshintergrund in den Hintergrund treten würde – nur wäre das in etwa so konfliktreich wie das Outing eines Bundesligaprofis. Bei einem Radiointerview trifft sie auf die Moderatorin MC Storm alias Marie-Claire Sturm. MC will unbedingt ein Kind und auch den passenden Typen dazu. Das war nicht immer so, denn lange Zeit erschien ihr die Karriere wichtiger. Jetzt aber hat sie Angst, sie könnte die wichtigste Deadline ihres Lebens verpassen … Mit Empathie und der sie auszeichnenden Leichtigkeit im Ton legt Jackie Thomae einen klugen Roman vor, der bei dem derzeit viel diskutiertem Thema nach neuen Perspektiven sucht.

Claassen, 2024, 432 S., 24 Euro

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