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Die besten Bücher 2024: Empfehlungen für den Januar

Die besten Bücher im Januar 2024: Buchcover von Maxilian Hecker, Bryan Washington, Maya Binyam, Gerhard Henschel, Dizz Tate sowie die Anthologie „Worte in finsteren Zeiten“

Literarische Entdeckungen zum Jahresbeginn: Die besten Bücher im Januar 2024 mit Bryan Washington, Maya Binyam und Dizz Tate

Mittlerweile ist er beim zehnten Band seiner autobiografischen Familienromane angekommen – und natürlich ist Gerhard Henschel mit „Schelmenroman“ für eine Spitzenposition auf unserer Liste der besten Bücher im Januar 2024 gut. Einen spektakulären Familienroman legt auch der 30-jährige US-Amerikaner Bryan Washington vor: Mit „An einem Tisch“ etabliert er sich als die LGTBQ-Stimme der Generation Z. Zu den Favoriten auf unserer Liste der besten Bücher im Januar 2024 zählt natürlich auch Joanna Bator, die mit „Bitternis“ wiederum eine Familiensaga über mehrere Generationen aus weiblicher Perspektive erzählt.

Mit „Wir, wir, wir“ von Dizz Tate steht auch ein Coming-of-Age-Roman auf unserer Liste der besten Bücher im Januar 2024. Maya Binyams Debütroman „Galgenmann“ erzählt von der beklemmenden Erfahrung völliger Entfremdung und verhandelt damit auch Rassismus sowie die Ignoranz des globalen Nordens und seinem heuchlerischen Helfersyndrom. Vielleicht steht aber auch der Singer/Songwriter Maximilian Hecker ganz oben auf unserer Liste der besten Bücher im Januar 2024: „Lottewelt“ ist eine autobiografische Geschichte über unglückliche Liebe im Labyrinth von Seoul. Und schließlich ist da mit „Worte in finsteren Zeiten“ noch eine ganz besondere Anthologie.

Die besten Bücher im Januar 2024

7. Maximilian Hecker: Lottewelt

Die besten Bücher im Januar 2024: Buchcover „Lottewelt“ von Maximilian Hecker„Das ewige elektrische koreanische Leben.“: Für die teils seitenlangen Bandwurmsätze, die Maximilian Heckers Romandebüt „Lottewelt“ ausmachen, haben wir hier leider keinen Platz. Darin erzählt der Singer/Songwriter eine autobiografische Geschichte über unglückliche Liebe im Labyrinth von Seoul. Dazu bedient er sich einer Sprache, die sensibel und kitschig, nostalgisch und kreativ, überbordend und erstarrt zugleich daherkommt. „Die unerreichbare Liebe und die Schönheit des Schmerzes: Maximilian Hecker überführt das Sehnen seiner Musik in die Literatur. Kontrastiert mit frühkindlichen Traumata, dem Verlorensein und all den Unsicherheiten findet er in ,Lottewelt’ zu einer gebrochen romantischen Sprache. Im Remix mit den Maskenwelten des K-Pop ergibt das ein Vexierspiel – an dessen Ende eine Selbstwerdung steht“, schwärmt kulturnews-Redakteur Carsten Schrader.

Lektora, 2023, 248 S., 16 Euro

6. Gerhard Henschel: Schelmenroman

Buchcover „Schelmenroman“ von Gerhard Henschel Mit „Schelmenroman“ hat Gerhard Henschel den zehnten Band seiner autobiografischen Familienromane veröffentlicht, doch nach dem Tod des Vaters im vorherigen Band löst sich der Begriff „Familienroman“ doch stark auf. Diesmal stirbt mit Oma Jever eine weitere Bezugsperson – Henschels Alter-Ego Martin Schlosser lässt sie ein letztes Mal im Malefiz gewinnen. Viel wichtiger ist längst Henschels gesellschaftliches Umfeld der Neuen Frankfurter Schule und des Satiremagazins Titanic, in dessen Frankfurter Redaktion Schlosser inzwischen arbeitet. Schlosser geht Mitte der 90er keinem Konflikt aus dem Weg: Als er gemeinsam mit Wiglaf Droste den Sommerkrimi „Der Barbier von Bebra“ in der taz vorveröffentlicht, kommt es zur Besetzung der Redaktionsräume und einem Boykottaufruf gegen die taz. Das war Cancel Culture, ohne dass der Begriff gefallen wäre, und ohne Opfergebaren. Sie war eine Würdigung.

Schlosser berichtet von weiteren Skandalen aus seinem Umfeld: Lesungen von Wiglaf Droste werden von Männergruppen sabotiert, ebenso Veranstaltungen der Essayistin Katharina Rutschky von Kinderschützern. Henschel hat die damaligen Zustände treffend analysiert – mit Buchtiteln wie „Das Blöken der Lämmer. Die Linke und der Kitsch“ und – gemeinsam mit Klaus Bittermann – „Das Wörterbuch des Gutmenschen. Zur Kritik der moralisch korrekten Schaumsprache“. „Schelmenroman“ dokumentiert somit den Beginn von Henschels Wirkmächtigkeit als Essayist und Schriftsteller, und auch die Zusammenarbeit mit Eckhard Henscheid kündigt sich an.

Hoffmann & Campe, 2024, 608 S., 26 Euro

5. Maya Binyam: Galgenmann

Buchcover „Galgenmann“ von Maya BinyamWarum der namenlose Ich-Erzähler nach 26 Jahren in den USA wieder zurück in sein afrikanisches Heimatland südlich der Sahara kehrt, weiß er selbst nicht. „Morgens bekam ich einen Anruf, man sagte mir, ich solle ein Flugzeug nehmen.“ Kaum in der Luft, wird die Szenerie noch grotesker: Auf dem Platz neben ihm sitzt ein toter Mann. Und so nimmt die surreale Farce ihren Lauf. Auf der Suche nach seinem im Sterben liegenden Bruder macht der Protagonist in Maya Binyams Debütroman „Galgenmann“ die beklemmende Erfahrung der völligen Entfremdung. Während er fremdgesteuert und teilnahmslos durch skurrile Begegnungen mit Taxifahrern, Straßenhändlern, Entwicklungshelfer:innen und Familienmitgliedern stolpert, verliert er zunehmend nicht nur die Kontrolle über das Geschehen, sondern auch über sich selbst und seinen Körper – bis sich schließlich das Rätsel löst. Doch ist der Plottwist eher zweitrangig. Umso dringlicher sind die politischen Einlassungen zu Diaspora, Rassismus und der Ignoranz des globalen Nordens und seinem heuchlerischen Helfersyndrom.

Aufbau, 2023, 220 S., 22 Euro

Aus d. Engl. v. Eva Kemper

4. Dizz Tate: Wir, wir, wir

Die besten Bücher im Januar 2024: Buchcover „Wir, wir, wir“ von Dizz TateLeila, Britney, Jody, Hazel, Isabel und Christian sind eine Teenager-Clique, wie sie im Buche steht: Sie sind ein Wir, teilen sich alles, selbst ihren Traum vom glamourösen Leben in Los Angeles. Ihre Mütter, die meisten von ihnen scheinen alleinerziehend zu sein, vertreiben sich ihre Zeit lieber mit Alkohol und Tratsch, und so streifen die 13-Jährigen vollgepackt mit Sehnsüchten durch die sengende Hitze im trostlosen Falls Landing, Florida, umringt von sumpfigen Seen, biederen Freizeitparks und sterilen Shoppingmalls. Doch als ihr großes Vorbild Sammy, die beliebte, schöne Tochter des Priesters, spurlos verschwindet, gerät ihre Cliquendynamik aus dem Gleichgewicht. Und während die Erwachsenen noch auf der Suche nach Sammy sind, bahnt sich die Sprache von Dizz Tates Roman ihren Weg vom amorphen Wir zum Ich.

„Wir, wir, wir“ ist ein subtiler Roman über die erbarmungslose Entzauberung der Welt und wie diese auch noch Jahrzehnte später in uns nachhallt. So zoomt Tate in die erwachsenen Leben der damaligen Teenager, die heute selbst Mütter sind, im Verschwörungswahn festhängen oder Geld-, Alkohol- und psychische Probleme haben. War das alles bereits in Jugendjahren angelegt? Ohne je explizit werden zu müssen, demonstriert Tate, was für fatale Folgen schiefe Vorstellungen von Liebe, Sex und Geborgenheit haben können – und wie grausam einsam Erwachsenwerden sein kann.

Ecco, 2023, 256 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Heike Reissig

TOP 3

3. Oliver Vogel (Hg.) u.a.: Worte in finsteren Zeiten

Buchcover „Worte in finsteren Zeiten“Das Jahr ist vorbei, doch die Wunden, die 2023 hinterlassen hat, sind noch da – und die Kriege gehen weiter. Nach den schrecklichen Ereignissen vom 7. Oktober hat der S.Fischer-Verlag im Hauruckverfahren das Buchprojekt Worte in finsteren Zeiten angeleiert: Für die Anthologie haben die vier Herausgeber:innen bei Autor:innen und Personen des öffentlichen Lebens angefragt, welche Texte ihnen Mut machen und sie trösten. Innerhalb von nur einer Woche ist so eine Sammlung entstanden, die uns dabei helfen will, durch die Feiertage zu kommen, und auch als Beistand für 2024 taugt – denn wer weiß schon, was da alles noch kommen mag. Antje Rávic Strubel steuert etwa ein Gedicht der 2014 verstorbenen finnischen Schriftstellerin Mirkka Rekola bei, James Baldwin wird sowohl von Julia Franck als auch von Necati Öziri zitiert, Daniel Speck und Klaus-Peter Wolf führen eigene Texte an, Andreas Reckwitz vertraut auf den Songtext „Both Sides now“ von Joni Mitchell, und Miko Sophie Kühmel betrachtet ein Panel des japanischen Manga-Zeichners Eiichiro Oda.

S. Fischer, 2023, 256 S., 20 Euro

2. Joanna Bator: Bitternis

Buchcover „Bitternis“ von Joanna BatorIn Joanna Bators neuem Roman treffen wir auf vier Frauen – und kommen ihnen so nah wie sonst kaum einer Buchfigur: Urgroßmutter Berta, die schlesische Fleischerstochter, die den Betrug ihres Geliebten nicht verkraftet hat. Großmutter Barbara, die im Zweiten Weltkrieg in einem Waisenhaus aufgewachsen ist und ihr Leben lang von der Angst regiert wird, alles zu verlieren. Mutter Violetta, die im postkommunistischen Polen von endlosen Möglichkeiten träumt und sich nie mit der trüben Realität abfinden kann. Und Tochter Kalina, die deshalb von Barbara großgezogen wird – bis die aus zunächst unklaren Gründen verschwindet.

Was ihre Ahninnen teils Monströses erlebt und getan haben und wie ein Trauma das nächste bedingt, teilt uns die Ich-Erzählerin häppchenweise mit: ein Kapitel für Berta, Barbara, Violetta, Kalina, dann wieder von vorn. „Bitternis“ ist einerseits eine mit Generationskonflikten und Nebenfiguren gespickte Familiensaga, in der sich darüber hinaus die polnisch-deutsche Geschichte spiegelt. Andererseits untergräbt die Autorin das typisch Epische der Gattung, indem sie den Großteil der Handlung in einer winzigen Dachwohnung spielen lässt und alltägliche Routinen haarklein ausbreitet, nur um haarsträubende Wendungen erzählerisch zu umtänzeln oder wie nebenbei abzukanzeln. Angereichert mit düsterem Humor und ein bisschen Magie, entsteht so ein monumentaler, zugleich aber denkbar intimer Roman.

Suhrkamp, 2023, 829 S., 34 Euro

Aus d. Poln. v. Lisa Palmes

1. Bryan Washington: An einem Tisch

Die besten Bücher im Januar 2024: Buchcover „An einem Tisch“ von Bryan WashingtonNachdem er mitansehen musste, wie Polizisten seinen Partner Kai töten, kehrt Cam in seine Heimatstadt Houston zurück. Doch seinen ehemals besten Freund TJ kontaktiert er nicht, bei dessen Familie Cam nach dem Tod seiner Eltern aufgewachsen ist. Stattdessen sucht er sich einen Job in einer Schwulenbar und betäubt seinen Schmerz mit Drogen und anonymen Dating-App-Sex. Bis der Jugendfreund eines Nachts in der Bar auftaucht und Cam überredet, zu seiner alten Pflegefamilie zurückzukehren und wieder in der Bäckerei von TJs Mutter zu arbeiten.

Bryan Washington gilt als die LGTBQ-Stimme der Generation Z, und der 30-jährige US-Amerikaner erzählt seinen zweiten Roman aus der Perspektive von drei schwulen Schwarzen Männern: Neben Cam und dem HIV-positiven, vor seiner Mutter aber ungeoutetem TJ kehrt Kai von den Toten zurück, um seine Geschichte zu erzählen. Sie alle haben Traumata aus der Vergangenheit zu überwinden, und obwohl in „An einem Tisch“ sehr viel und sehr aufwändig gekocht wird, müssen sie viele Hindernisse überwinden, bis sie beim gemeinsamen Essen auch aufrichtig miteinander sprechen. „Es ist unsere Verantwortung, uns umeinander zu kümmern.“ Wenn Cam diesen Satz gen Ende des Romans in einem Gespräch mit TJ äußert, ist das alles andere als ein Kalenderspruch. Es ist ein bewegender Moment in einem emotionalen, komplett kitschfreien und mit unaufgeregter, gegenwärtiger Sprache erzählten Roman über Familien und Wahlfamilien.

Kein & Aber, 2023, 368 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Werner Löcher-Lawrence

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