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Die besten Bücher 2024: Empfehlungen für den Juni

Die besten Bücher im Juni 2024: Buchcover von Ilona Hartmann, Miranda July, Ron Leshem, Sasa Stanisic, T.C. Boyle, Salman Rushdie

Die perfekte Begleitung für Stadtpark und Strandkorb? Die besten Bücher im Juni 2024 mit Saša Stanišić, T.C. Boyle und Miranda July.

Mit seinen neuen Erzählungen offenbart T.C. Boyle eine weitere Superpower: Auch das schlimmste No-Go-Thema weiß er extrem spannend zu verhandeln. Womit dann auch klar ist, dass er mit „I walk between the Raindrops“ unsere Liste der besten Bücher im Juni 2024 anführt, oder? Harte Konkurrenz bekommt er von Saša Stanišić, der fünf Jahre nach „Herkunft“ ebenfalls einen Band mit Erzählungen vorlegt. Und schon der Titel garantiert einen Spitzenplatz auf unserer Liste der besten Bücher im Juni 2024: „Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“.

Auch Miranda July feiert ein Comeback: Fast zehn Jahre sind seit dem Debütroman „Der erste fiese Typ“ vergangen, und mit dem Nachfolger „Auf allen vieren“ wird sie es auf unserer Liste der besten Bücher im Juni 2024 natürlich weit bringen. Und mit Salman Rushdie steht ein weiterer ganz großer Name auf unserer Liste der besten Bücher im Juni 2024: In „Knife – Gedanken zu einem Mordversuch“ geht es nicht nur um sein Erleben der Attacke, sondern auch um den langen Prozess der Heilung. Ron Leshem hingegen schreibt in „Feuer – Israel und der 7. Oktober“ über das Massaker der Hamas.

Oder macht ein Newcomer auf unserer Liste der besten Bücher im Juni 2024 das Rennen? Der Dramatiker und Drehbuchautor Anders Lustgarten hat mit „Frieden“ seinen ersten Roman geschrieben. Chukwuebuka Ibeh stammt aus Nigeria, wo Homosexualität mit längjährigen Haftstrafen oder gar der Todesstrafe durch Steinigung geahndet wird. Mit „Wünschen“ veröffentlicht er einen Coming-of-Age-Roman, der das Verstecken und die Selbstverleugnung dokumentiert. Und schließlich ist da auch noch ein zweiter Roman von Ilona Hartmann, der den Titel „Klarkommen“ trägt.

Die besten Bücher im Juni 2024

8. Anders Lustgarten: Frieden

Die besten Bücher im Juni 2024: Buchcover „Frieden“ von Anders LustgartenIn einem alten Ruderboot schaukeln Omar und seine Freunde auf die englische Küste zu, als ihnen zwei rassistische Polizisten den Weg abschneiden. Am nächsten Morgen findet Cherry, die um ihren verstorbenen Sohn trauert, am Strand Omars Leiche. Gemeinsam mit Andy, dem reumütigen der beiden Polizisten, will sie die Angehörigen des jungen Mannes finden, immer verfolgt von Andys Kollegen Barratt. Doch ihre Mission reißt auch Cherrys Mann und Tochter, Omars besten Freund Abdi Bile und seine große Liebe Asha mit sich, bis halb England auf den Beinen scheint. In London baut sich derweil eine Protestwelle auf und steigt immer höher. Anders Lustgarten, Dramatiker und Drehbuchautor, hat mit „Frieden“ seinen ersten Roman geschrieben, bleibt aber der politischen Satire treu, indem er die Stagnation, Rückwärtsgewandtheit und Hoffnungslosigkeit der britischen Gesellschaft anprangert. Wechselnde Perspektiven und thrillerartige Wendungen treiben dabei den Pulsschlag in die Höhe. Das Ende jedoch, wenn alle Handlungsstränge inmitten von Massendemos zusammenlaufen, gerät überraschend kathartisch – und lässt trotz allem sogar Raum für Hoffnung.

Hoffmann und Campe, 2024, 320 S., 25 Euro

Aus d. Engl. v. Hannes Meyer

7. Ron Leshem: Feuer. Israel und der 7. Oktober

Buchcover „Feuer. Israel und der 7. Oktober“ von Ron LeshemDer frühere Geheimdienstoffizier Ron Leshem ist seit Jahren international als Schriftsteller („Als wir schön waren“) und Drehbuchautor („Euphoria“, „Kampf um den Halbmond“) bekannt, der sich für den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern einsetzt. Der offen schwul lebende Leshem lebt gemeinsam mit Partner und Kind seit einigen Jahren in Boston. Mit „Feuer“ hat er jetzt nicht nur eine schonungslose Dokumentation des Massakers der Hamas vom 7. Oktober vorgelegt. Er analysiert völlig illusionsfrei auch die Konflikte innerhalb der israelischen Bevölkerung, die zur Schwächung der militärischen Verteidigung geführt haben. Der gelernte Geheimdienstler zeigt mit Belegen auf, welche technische Ausrüstung aus Russland und dem Iran gekommen ist, der die vollständige Zerstörung Israels auf der Agenda hat und überhaupt nicht erfreut gewesen ist vom Alleingang der Terrororganisation. Vor allem aber benennt Leshem jedes Verbrechen der Hamas sowie der palästinensischen Zivilbevölkerung. Mit Uhrzeit und Positionsangabe wird der Überfall auf militärische Einrichtungen, auf das Musikfestival und gezielt auf linke Kibbuze in allen brutalen Einzelheiten dokumentiert: die Vergewaltigung, Ermordung und Entführung von Menschen, die in der Vergangenheit für den Frieden in der Region und gegen Ministerpräsident Netanjahu demonstriert haben. Auch Leshems Tante Orit Sabirski von der Organisation Women Wage Peace und ihr geschiedener Mann Rafi wurden ermordet, ihr Sohn Itai entführt und erschossen.

Rowohlt Berlin, 2024, 320 S., 25 Euro

Aus d. Hebr. v. Ulrike Harnisch u. Markus Lemke

6. Salman Rushdie: Knife – Gedanken zu einem Mordversuch

Buchcover „Knife – Gedanken zu einem Mordversuch“ von Salman Rushdie „Laut Nachrichtenmeldungen griff mich A. siebenundzwanzig Sekunden lang an. In siebenundzwanzig Sekunden könnte man – sofern religiös gesinnt – das Vaterunser aufsagen.“ Weil er vor mehr als 30 Jahren die religiösen Gefühle radikaler Islamisten verletzt hat, hat das iranische Regime eine Fatwa gegen Salman Rushdie verhängt. 2022 kam es zu einem Attentat, das er nur knapp überlebt hat. In „Knife – Gedanken zu einem Mordversuch“ schildert der Schriftsteller nicht nur sein Erleben der Attacke, sondern auch den langen Prozess der Heilung – und schafft so ein Plädoyer für Mut und Kunstfreiheit.

Penguin, 2024, 256 S., 25 Euro

Aus d. Engl. v. Bernhard Robben

5. Ilona Hartmann: Klarkommen

Die besten Bücher im Juni 2024: Buchcover „Klarkommen“ von Ilona HartmannEin Umzug in die Großstadt kann ernüchternd sein. Vor allem, wenn das Versprechen vom wilden Leben nie eingelöst wird. Mounia, Leon und die Ich-Erzählerin sind verzweifelt „auf der Suche nach etwas zum Finden“. Bloß wollen weder das Leben noch der allerkleinste Exzess über sie hereinbrechen. Und aus Langeweile wird Einsamkeit. „Uns war zu jedem Zeitpunkt schmerzlich klar, dass wir nicht wild genug, nicht jung genug, nicht wütend genug, nicht intensiv genug, nicht verschwenderisch genug unsere Zeit verschwendeten“, lautet das ernüchternde Zwischenfazit in Ilona Hartmanns zweitem Roman „Klarkommen“. Ein Buch, das sich liest wie das Cold Open eines Coming-of-Age-Films, der jedoch vergeblich auf den Wende- und somit den Startpunkt wartet: eine leise, graue Rebellion. Und um im Bild zu bleiben: wie Greta Gerwigs „Lady Bird“. Hinter dem punktgenauen, schlagfertigen und an Twitter-Zeiten erinnernden Beobachtungs-Stakkato schlummert eine tiefe Melancholie, in der sich Hartmann suhlt, und manchmal reichen tatsächlich drei Worte, um alles zu erzählen. Wer unter zwanghafter Fomo leidet, sollte diesen kurzweiligen Roman lesen.

Park x Ullstein, 2024, 192 S., 22 Euro

4. T.C. Boyle: I walk between the Raindrops

Buchcover „I walk between the Raindrops“ von T.C. BoyleErst vergangenes Jahr hat er die derzeit natürlich massenhaft erscheinenden Dystopien aufgemischt und mit seinem Bestseller „Blues Skies“ mal eben den wohl eindringlichsten Roman zum Klimawandel veröffentlicht. Und T.C. Boyle legt nach: „Außerdem – und verzeihen Sie mir, wenn das lächerlich klingt – wollte ich mir nicht die Schuhe ruinieren, nur um meine Schaulust zu befriedigen“, lässt er den Erzähler in der Titelgeschichte seines neuen Erzählungsbands sagen. Jener Brandon beobachtet, wie massive Regenfälle in den kalifornischen Bergen eine Schlammlawine auslösen, die Häuser, Autos und auch viele seiner Nachbarn unter sich begräbt. Mit „I walk between the Raindrops“ kartografiert der 75-jährige Boyle das Nicht-wahrhaben-Wollen und die Beruhigungsversuche des eigenen Gewissens.

Die 13 Erzählungen sind kurz vor und nach „Blue Skies“ entstanden, und sie vermessen so komisch wie schonungslos unsere Gegenwart: In „What’s Love got to do with it“ diskutiert eine Mutter um die 50 mit einem jungen Incel-Studenten über einen misogynen Amokläufer. „Schlaf am Steuer“ zeigt, wie eine Zukunft mit Drohnenautos aussehen könnte. Und Boyle holt ein Thema zurück, das wir am liebsten eine für alle Mal vergessen möchten: Im März 2020 geht ein Ehepaar auf Kreuzfahrt – doch dann bricht das Covid-19-Virus aus und die beiden stecken auf dem Schiff fest. Trotz negativer Reizwörter wie „FFP2-Masken“ und „Quarantäne“: Bei T.C. Boyle will man wissen, wie „Der dreizehnte Tag“ endet.

Hanser, 2024, 272 S., 25 Euro

Aus d. Engl. v. Dirk van Gunsteren u. Anette Grube

TOP 3

3. Chukwuebuka Ibeh: Wünschen

Buchcover „Wünschen“ von Chukwuebuka IbehAm Ende des Romans steht ein Gespräch mit dem Vater, in dem Obiefuna diesen Satz sagt: „Ich habe mein ganzes Leben lang in einem Gefängnis gelebt, Papa.“ In Nigeria wird Homosexualität mit bis zu 14 Jahren Freiheitsentzug bestraft, in den nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht der Schari’a angewandt wird, droht gar die Todesstrafe durch Steinigung. Chukwuebuka Ibeh wurde in Nigeria geboren, heute studiert der 24-Jährige an der Washington University in St. Louis, Missouri, und in seinem Debüt erzählt er Obiefunas Geschichte. Nachdem der Vater ihn in einem intimen Moment mit dem Lehrling Aboy erwischt, verbannt er Obiefuna auf ein christliches Internat. „Wünschen“ ist ein Coming-of-Age-Roman, der das Verstecken und die Selbstverleugnung dokumentiert und einen Helden zeigt, der sein Begehren nur heimlich leben kann, der Missbrauch erfährt und selbst zum Täter wird, um nicht enttarnt zu werden. Ibeh stattet Obiefuna mit einer Sprache aus, die inmitten der Gewalt immer wieder Räume von ergreifender Zartheit öffnet. Es sind die Liebe zur Mutter, die Entgrenzung in der Musik und im Tanz, mit der er die Hoffnung schürt, dass sein Held nicht komplett gebrochen wurde und ein Leben in Freiheit für ihn möglich ist.

S. Fischer, 2024, 320 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Cornelius Reiber

2. Miranda July: Auf allen vieren

die besten Bücher im Juni 2024: Buchcover „Auf allen vieren“ von Miranda July„Wenn sie so vögelten, setzte ich immer meinen Walkmen auf, hörte Portishead und versuchte, mir die Zeit vorzustellen, in der das alles nur noch eine witzige Geschichte sein würde.“ Die Protagonistin aus „Auf allen vieren“ erinnert sich an schmerzhafte Tage Mitte der Neunziger, als ihre Ex-Freundin und ihr Ex-bester-Freund in der Wohnung nebenan Sex hatten – und mit dieser Szene schließen sich gleich mehrere Kreise. In diesem Monat kehrt die Portishead-Sängerin Beth Gibbons mit ihrem Solodebüt zurück, auf dem sie das Älterwerden und die Wechseljahre in den Mittelpunkt rückt. Und diese Themen verhandelt auch die US-amerikanische Künstlerin und Regisseurin („The Future“) Miranda July in ihrem zweiten Roman, der nach fast zehn Jahren auf „Der erste fiese Typ“ folgt. Die Künstlerin aus „Auf allen vieren“ ist verheiratet und hat ein non-binäres Kind, doch zu ihrem 45. Geburtstag fährt sie nicht wie geplant mit dem Auto von L.A. nach New York, sondern steigt unterwegs in einem billigen Motel ab, um sich mit dem 30-jährigen Davey zu treffen, den sie an einer Tankstelle getroffen hat. Es ist ein entlarvender, empowernder und wahnsinnig lustiger Roman – und natürlich passt Beth Gibbons als Soundtrack perfekt.

Kiepenheuer & Witsch, 2024, 416 S., 25 Euro

Aus d. Engl. v. Stefanie Jacobs

1. Saša Stanišić: Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne

Buchcover „Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“ von Sasa StanisicDie satten fünf Jahre Wartezeit seit „Herkunft“ seien ihm verziehen. Nicht nur wegen der Kinderbücher zwischendurch, sondern auch, weil Saša Stanišić einen Anproberaum für das Leben entwickelt hat. Ob er in dem wohl vorab geluschert hat, ob sein Verlag diesen gar großartigen, aber eben auch extrem langen Titel für seinen Erzählungsband schlucken wird? Die Texte hängen zusammen, weswegen Stanišić selbst auch neben Ray Cummings in den Leitgedanken auftaucht („Bitte der Reihe nach lesen“), doch ohne den Überbau eines Romans dreht er so richtig auf: Mit einer Figur namens Saša geht es auf einen Hochsitz bei Heidelberg und nach Helgoland – und irgendwie ist ein gewisser Harry Heine immer an seiner Seite. Der Justiziar Paul Horvath betrügt seinen achtjährigen Sohn Paul beim Piraten-Memory, und in Winsen an der Luhe schafft es Mo nicht zur Doppelkopfrunde, weil ihm per Post ein Panzer zugestellt wird. Doch unvergessen bleibt dieses Buch vor allem wegen Gisel aus Hamburg. Genau, das ist die mit der Gießkanne.

Luchterhand, 2024, 256 S., 24 Euro

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