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Die besten Bücher 2024: Empfehlungen für den November

Die besten Bücher im November 2024: Buchcover von Mae Schwinghammer, Maud Ventura, Alain Claude Sulzer, Chetna Maroo, Paul Harding und Nathan Devers

Was kommt nach der Buchmesse? Die besten Bücher im November 2024 mit Paul Harding, Chetna Maroo und Joshua Cohen

Gleich mit dem Debüt gelingt Chetan Maroo ein herausragender Coming-of-Age-Roman, der auch Sally Rooney begeistert. Steht also „Western Lane“ auf unserer Liste der besten Bücher im November 2024 ganz oben? Sie tritt gegen Thomas Korsgaard an, der in Dänemark als literarisches Wunderkind gefeiert wird und mit „Hof“ auch auf unserer Liste der besten Bücher im November 2024 hoch hinaus will. Der dickste Roman des Monats stammt von Andrew O’Hagan: „Caledonian Road“ bringt es auf 782 Seiten. Aber welchen Platz belegt der britische Journalist auf unserer Liste der besten Bücher im November 2024?

In „Künstliche Beziehungen“ von Nathan Devers wird der Avatar eines Gescheiterten zum digitalen Star. Aber was hat Serge Gainsbourg damit zu tun? Und wie weit kommt Devers auf unserer Liste der besten Bücher im November 2024? Joshua Cohen gilt als eine der aufregendsten neuen Stimmen aus den USA, mit „Aufzeichnungen aus der Höhle“ ist er mit einer Essaysammlung auf unserer Liste der besten Bücher im November 2024 dabei. Und mit Paul Harding geht auch ein Pulitzer-Preisträger an den Start.

Der Schweizer Alain Claude Sulzer will mit „Fast wie ein Bruder“ viel: Coming-of-Age-Roman, Porträt einer Freundschaft, Kunstkrimi, Chronik der AIDS-Pandemie in den 80ern … Und wie weit kommt er auf unserer Liste der besten Bücher im November 2024? Maud Ventura hält mit dem Beziehungsthriller „Mein Mann“ dagegen, der Leser:innen von Gillian Flynn und Megan Hunter begeistern wird. Oder steht Maë Schwinghammers autofiktionaler Debütroman „Alles dazwischen, darüber hinaus“ auf unserer Liste der besten Bücher im November 2024 ganz oben?

Die besten Bücher im November 2024

9. Maud Ventura: Mein Mann

Die besten Bücher im November 2024: Buchcover „Mein Mann“ von Maud VenturaDie französische Debütantin Maud Ventura erforscht in dem Beziehungsthriller „Mein Mann“ die Lebensrealität einer Frau, die in ständiger Furcht davor lebt, von ihrem Partner verlassen zu werden. Alles stimmt sie genau auf ihn ab: Frisur, Kleidung, ihr Leben. Die berechnende Erzählerin beobachtet den Ehemann, analysiert sein Verhalten bis ins kleinste Detail, und – wenn nötig – verhängt sie Strafen, um weiterhin die Fäden in der Hand zu behalten. Ventura schreibt packend scharfsinnig und spielt dabei clever mit der Angst, dass man sich nie richtig sicher sein kann, seinen Partner zu hundert Prozent zu kennen. Wer „Gone Girl“ von Gillian Flynn oder „Die Harpyie“ von Megan Hunter mag, wird diesen Roman lieben.

Hoffmann und Campe, 2024, 272 S., 24 Euro

Aus d. Franz. v. Michaela Meßner

8. Paul Harding: Sein Garten Eden

Buchcover „Sein Garten Eden“ von Paul HardingVor rassistischer Gewalt fliehend und nur mit ein paar Apfelbaumsamen in der Tasche, zieht es den ehemaligen Sklaven Benjamin Honey und seine irische Frau Patience 1793 auf eine kleine Insel vor der Küste von Maine. Abgeschottet und weit weg von jeder Bedrohung errichten sie dort ihr Paradies: Apple Island. Über 100 Jahre wächst die Inselgemeinschaft in Frieden weiter, bis Anfang der 1910er-Jahre ein Mann in missionarischer Mission die Insel betritt und das Interesse der staatlichen Behörden weckt. Benjamins Urkinder sollen vertrieben werden.

Die Bibel-Referenzen im neuen Roman des Pulitzer-Preisträgers Paul Harding sind unübersehbar. Der Apfel, das Paradies, die Vertreibung, und dann heißt das Buch auch noch „Sein Garten Eden“. Was fehlt, ist der Sündenfall. Das Einzige, was sich die Bewohner:innen von Apple Island zu Schulde haben kommen lassen: Sie gehören nicht zur weißen Mehrheitsgesellschaft, in die Benjamins Urururenkel im zweiten Kapitel der dreiteiligen Erzählung gerät – und wieder vertrieben wird. Denn alles, was er am Festland vorfindet, ist eine malerische Sauberkeit, die gleichermaßen er- und unterdrückt.

Wie ein unromantischer Abenteuerromanautor fängt Harding in kurzen Episoden den Inselalltag ein, schweift in den Gedanken umher – die sich auch gerne mal in herausfordernden Bandwurmsätzen über ganze Seiten erstrecken – und stellt den internalisierten Rassismus und die Unmenschlichkeit eugenischer Lehre jener Zeit aus. Bis zum Schlussakt biblischer Brutalität könnte fast von einem fantastisch poetischen Inselurlaub gesprochen werden.

Luchterhand, 2024, 320 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Silvia Morawetz

7. Andrew O’Hagan: Caledonian Road

Buchcover „Caledonian Road“ von Andrew O’HaganEs geht um nicht weniger als das von Krisen gebeutelte Großbritannien des Jahres 2021, um Brexit, Covid und den Absturz eines alten, weißen Mannes. Wäre da nicht ein Roman angebracht, der zwischen den Formen pendelt und Mails, Textnachrichten, Posts, Songtexte und Zeitungsartikel einbaut? Der 56-jährige Journalist Andrew O’Hagan orientiert sich mit „Caledonian Road“ lieber an den Gesellschaftsromanen eines Charles Dickens – und es funktioniert. Campbell Flynn ist in schottischen Mietskasernen aufgewachsen, doch mit Anfang 50 verkehrt der Kunsthistoriker und Verfasser von Bestsellern über das goldene Zeitalter der Niederlande in Londons besten Kreisen. Dumm nur, dass er es irgendwann mit der Steuer nicht mehr so genau nimmt und seine besten Freunde ihn in schmutzige Geschäfte mit russischen Oligarchen ziehen …

O’Hagan ist ein guter Erzähler, der mit seinem multiperspektivischen Roman auch auf eine so lange Strecke zu unterhalten weiß. Vor allem hat er Sinn für Pointen, wenn etwa Flynns Untergang durch den Flop eines Buches befeuert wird. Der Titel dieses Ratgebers: „Männer, die in Autos weinen“.

park x ullstein, 2024, 782 S., 30 Euro

Aus d. Engl. v. Manfred Allié u. Gabriele Kempf-Allié

6. Alain Claude Sulzer: Fast wie ein Bruder

Die besten Bücher im November 2024: Buchcover „Fast wie ein Bruder“ von Alain Claude SulzerDer Schweizer Alain Claude Sulzer gönnt sich nur 190 Seiten und macht doch viel auf: „Fast wie ein Bruder“ ist Coming-of-Age-Roman, Porträt einer Freundschaft, der Roman skizziert den Beginn der AIDS-Pandemie in den 80ern, wird in der zweiten Hälfte mehr und mehr zu einem Kunstkrimi und diskutiert die Grenzen der Literatur. Was vor allem bleibt, ist der wunderbar knöchrige Erzähler, der auch das unschöne, hier aber leider notwendige Z-Wort benutzt: Frank, sein bester Freund seit Kindheitstagen, mit dem er im Bochum der 70er in einem Mietshaus aufwächst, entdeckt seine Sexualität mit einem Roma-Jungen. Dieses von der gesamten Hausgemeinschaft skandalisierte Ereignis treibt einen Keil zwischen die beiden Jungen – und doch bleiben sie in loser Freundschaft miteinander verbunden.

Während Frank sich als erfolgloser Künstler in New York durchschlägt, macht der Erzähler als Kameramann Karriere, und er ist an Franks Seite, als dieser an AIDS verstirbt. Es sind das Unausgesprochene und das Motiv der Ausgrenzung, die diesen Roman zusammenhalten. Auch dann, als der Erzähler mehrere Jahrzehnte später auf ein Gemälde von Frank stößt, in dem er sich selbst als nackten Mann erkennt.

Galiani Berlin, 2024, 190 S., 24 Euro

5. Joshua Cohen: Aufzeichnungen aus der Höhle

Buchcover „Aufzeichnungen aus der Höhle“ von Joshua CohenJoshua Cohen gilt als eine der aufregendsten neuen Stimmen aus den USA, doch genauso gut kann man ihm eine alte Stimme attestieren: nicht alt im Sinne von altbacken, sondern geprägt von Geschichte und Tradition, seinen literarischen Vorgängern – und natürlich dem Judentum.

In dieser von Übersetzer Jan Wilm kuratierten Essaysammlung werden das umfangreiche Wissen, der originelle Zugriff auf diverse Themen und der Sprachwitz des Autors deutlich, wobei sich die Texte grob in zwei Kategorien einteilen lassen: Würdigungen von Schriftsteller:innen wie Franz Kafka, Thomas Pynchon oder Eimear McBride auf der einen, politische Schriften und Reportagen auf der anderen Seite. So schreibt er kurz nach der US-Wahl 2016 über seine Heimatstadt Atlantic City und über Donald Trump, dem dort mehrere Casinos eingegangen sind, rezensiert Jared Kushners Autobiografie, indem er ihn als den wahren Gewinner von Trumps Präsidentschaftsperiode entlarvt, schreibt schon 2018 hellsichtig über das Verhältnis zwischen Israel und den USA und nimmt die vielen inneren Widersprüche vorweg, die seit dem 7. Oktober 2023 offensichtlich zutage liegen.

Auch mit dem Hamas-Anschlag selbst beschäftigt er sich in einem zwischen Galgenhumor und Verzweiflung schwankenden Essay. Vielleicht der spannendste Text allerdings, der Cohens Wissen, Meinungsstärke und Humor am besten demonstriert, ist die Rezension einer Biografie des verstorbenen Philip Roth, die er aus der Perspektive von Roths Gespenst erzählt.

Schöffling, 2024, 320 S., 28 Euro

Aus d. Engl. v. Jan Wilm

4. Maë Schwinghammer: Alles dazwischen, darüber hinaus

Buchcover „Alles dazwischen, darüber hinaus“ von Mae SchwinghammerOft fehlen uns die Worte, um dem Leben angemessen zu begegnen. Die Wirklichkeit läuft der Sprache davon. Und so hapert es etwa im Deutschen immer noch an der Etablierung eines Pronomens für nichtbinäre Menschen. Dass der Kampf um Worte auch ein Kampf um Macht bedeutet, lernt Michael schon sehr früh. Er selbst ringt um jedes Wort. Er habe eine „Wahrnehmungsstörung“, eine „Sprachstörung“, sagen die Erwachsenen. Er wird zum „Integrationskind“. Er sei ein „Spargeltarzan“, ein „Schwinghomo“, ein „Opfer“, sagen die Kinder. Keine dieser Zuschreibungen ist selbstgewählt. Nicht mal sein eigener Name.

Maë Schwinghammers autofiktionaler Debütroman „Alles dazwischen, darüber hinaus“ ist eine zögernd zärtliche Geschichte über das Ausbrechen und Ankommen seines Protagonisten. Ein suchender Text über den kleinen Michael aus einem Wiener Arbeiter:innenbezirk, gemobbt und missverstanden, über einen Jugendlichen zwischen Fitnesswahn und Zweifeln, über schwule Liebe und Übergänge. Und während aus Michael allmählich Maë wird, holt Schwinghammer mit der Sprache die Wirklichkeit wieder ein. „Ich habe keine Worte. Ich habe alle Worte“, heißt es an einer Stelle. Und irgendwo dazwischen – oder darüber hinaus? – schreibt Schwinghammer.

Haymon, 2024, 232 S., 22,90 Euro

TOP 3

3. Nathan Devers: Künstliche Beziehungen

Die besten Bücher im November 2024: Buchcover „Künstliche Beziehungen“ von Nathan DeversWo bleibt eigentlich dieses Metaversum, das uns Mark Zuckerberg bereits vor Jahren versprochen hat? Wann werden wir endlich durch den virtuellen Supermarkt spazieren und virtuelle Dosensuppe in einen virtuellen Einkaufswagen legen? In Nathan Devers’ zweitem Roman ist eine Onlineplattform, die die ganze Welt detailgetreu abbildet, Realität. Selbst digitale Kopien von toten Celebrities wie Serge Gainsbourg kommen hier auf einen Drink vorbei. Für den erfolglosen Musiker und Gainsbourg-Fan Julien Libérat ist diese „Antiwelt“ eine zweite Chance: Sein Alter Ego Vangel wird dank seiner holprigen Gedichte überraschend zum Megastar. Damit zieht er jedoch auch die Aufmerksamkeit des Antiwelt-Erschaffers Adrien Sterner auf sich, und der sieht die plötzliche Prominenz eines Niemands überhaupt nicht gern …

Nathan Devers ist 1997 geboren, doch trotz seiner Jugend geht es in seinem zweiten Roman nicht wirklich um das Internet, wie wir es kennen – die sozialen Medien kommen nur am Rande vor, TikTok wird nicht einmal erwähnt. Stattdessen stellt der Autor Fragen nach dem Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit, Ideal und Alltag und dem Wesen des Erfolgs. Seine Satire ist oft sehr spritzig zu lesen, etwa wenn Vangel einen Anschlag auf den virtuellen Präsidenten der USA verübt, hat aber nur bedingtes Interesse daran, was die globale Vernetzung mit uns allen macht. Dass ein virtuelles Universum wie die Antiwelt technisch noch Lichtjahre entfernt ist, spielt insofern kaum eine Rolle – immerhin scheint Mark Zuckerberg das mittlerweile auch gemerkt zu haben.

S. Fischer, 2024, 336 S., 26 Euro

Aus d. Franz. v. André Hansen

2. Thomas Korsgaard: Hof

Buchcover „Hof“ von Thomas KorsgaardThomas Korsgaard ist gerade mal 21 Jahre alt, als er „Hof“ schreibt. Es ist der Auftakt einer autofiktionalen Romantrilogie, für die der mittlerweile 29-jährige Autor in Dänemark als literarisches Wunderkind gefeiert wird. Was zunächst überrascht, denn „Hof“ ist sperrig, abgründig und bietet mit dem zwölfjährigen Protagonisten nicht unbedingt eine geschmeidige Identifikationsfigur an. Tue wächst als ältestes von drei Kindern in höchst prekären Verhältnissen auf einem heruntergekommen Bauernhof im norddänischen Nirgendwo auf.

Während die Mutter nach einer Fehlgeburt in eine tiefe Depression verfällt und beim Onlinepoker das knappe Geld verzockt, pendelt der unberechenbare Vater zwischen Sadismus und unbeholfener Sanftheit. Und Tue? Der will vor allem durch die Tage kommen, ist stets auf seinen Vorteil bedacht und träumt davon, in ein anderes Leben zu entkommen. Für seine Großmutter empfindet er Zuneigung – doch wahre Empathie hat er nie gelernt. Später macht er mit seinem Kumpel Mike holprige sexuelle Erfahrungen und findet in der selbstbewussten Iben eine Freundin.

Korsgaards Meisterleistung ist es, komplett auf Sozialkitsch zu verzichten und seinen kindlichen Antihelden eben nicht mit Niedlichkeit auszustatten. Trotzdem folgt man Tue bereitwillig durch 53 dreckige und stinkende Kapitel. Man will wissen, wie es mit Tue weitergeht, und fiebert den Übersetzungen von „Stadt“ und „Paradies“ entgegen, die 2025 im Kanon Verlag folgen werden.

Kanon, 2024, 288 S., 25 Euro

Aus d. Dän. v. Justus Carl u. Kerstin Schöps

1. Chetna Maroo: Western Lane

Buchcover „Western Lane“ von Chetna MarooDer Squash-Court: ein enger Raum, Zentimeter um Zentimeter umkämpft und durchzogen von einem periodischen Rhythmus. Es ist kein Zufall, dass Chetna Maroo ihren Debütroman „Western Lane“ in diesem Setting behutsam aufbaut. Die britisch-indische Schriftstellerin erzählt sanft von Gopi, mit elf Jahren die jüngste von drei Töchtern einer indischen Einwandererfamilie, und ihrem Erwachsenwerden in einer engen Wohnung am Stadtrand von London.

Gopis Mutter ist nur wenige Tage vor Beginn des Romans gestorben und hinterlässt neben den drei Töchtern und einer plötzlichen Leere auch Pa, der merklich überfordert ist, das Trauern um seine Frau und das plötzliche alleinige Sorgen für seine Kinder gleichzeitig zu bewältigen. Während sich seine Kinder nach einer Basis sehnen, wirkt Pa emotional immer unerreichbarer. Die titelgebende Squash-Halle wird zumindest für Gopi zum Fluchtpunkt, in dem sie Halt, Zuversicht und auch Rhythmus findet. Ihr Drang nach dem Sport prallt jedoch auf das Traditionsdenken ihrer konservativen Familie, die sie lieber als Hausfrau sehen will. Das sorgt für ein Zerren an einem jungen Menschen, den es dadurch umso mehr zum Entfliehen treibt.

In kurzen, unaufgeregten Sätzen fängt Maroo eine Familiendynamik ein, die in all ihrer Schwere trotzdem eine beruhigende und mitunter auch schöne Einfachheit im Umgang miteinander vermittelt.

Luchterhand, 2024, 192 S., 20 Euro

Aus d. Engl. v. Charlotte Breuer u. Norbert Möllemann

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