Die besten Krimis 2024: Empfehlungen für den April
Ein packender Dreikampf: Die besten Krimis im April 2024 mit John Galligan, Kiko Amat und Isaac Rosa.
Im April ein Dreikampf: Nicht, weil es nur so wenig spannende Neuerscheinungen gibt, sondern weil drei Kriminovitäten die Konkurrenz abhängen. Da ist die mutige Serienheldin von John Galligan, die ihren Melkschemel gegen den Sheriffstern tauscht und sich damit auf einen Höllenritt begibt. Der amerikanische Autor legt mit „Bad Axe County“ den ersten Band einer nislang vierteiligen Serie in deutscher Übersetzung vor. Galligan hätte den Plot als Country-Slasher inszenieren können, doch setzt er lieber auf eine elegantere Form der Anklage. Grüßt er damit auch von der Spitzenposition unserer Liste der besten Krimis im April 2024?
Konkurrenz bekommt er von zwei spanischen Autoren. Mit „Ein sicherer Ort“ entlarvt Isaac Rosa humorvoll Stadtflucht und Eskapismus sowie die verlogene Selbstherrlichkeit eines scheinheiligen Ökoaktivismus. Er könnte also locker unsere Liste der besten Krimis im April 2024 anführen – nur ist da eben auch noch Kiko Amat. Der katalanische Autor biegt mit qualmenden Reifen in die Problemviertel der Metropolregion Barcelonas ab, deren Orte wie „El Prat“ für deutsche Ohren lautmalerisch nach Kopfnuss klingen und wo das Tragen eines Real-Trikots mindestens ein paar ausgeschlagene Zähne kostet. Checken Sie unsere Liste der besten Krimis im April 2024, ob es „Revanche“ bis ganz nach oben schafft!
Die besten Krimis im April 2024
3. Isaac Rosa: Ein sicherer Ort
Wenn Krisen, Kriege und der Klimawandel drohen, suchen sich die Menschen Rückzugsorte und igeln sich ein. Das bringt Segismundo García auf eine Geschäftsidee: In Madrid geht er Klinkenputzen, um Minibunker für Kellerräume anzupreisen, und sieht sich von der Resonanz bestätigt. Leider hapert es bei der Anschubfinanzierung des Start-ups, doch vermutet Segismundo, dass sein ehemals krimineller und mittlerweile dementer Vater noch Geld aus Betrugsgeschäften versteckt hält. Mittels eines Peilsenders verfolgt Segismundo jeden seiner Schritte, auch wenn er dabei nicht zuletzt durch die illegalen Dummheiten seines Sohns abgelenkt wird. Als Ich-Erzähler berichtet Segismundo von seinen Erlebnissen in einer von Panikmache aufgescheuchten egozentrischen Gesellschaft. So entlarvt der spanische Schriftsteller Isaac Rosa humorvoll Stadtflucht und Eskapismus sowie die verlogene Selbstherrlichkeit eines scheinheiligen Ökoaktivismus.
Liebeskind, 2024, 320 S., 24 Euro
Aus d. Span. v. Luis Ruby
2. Kiko Amat: Revanche
Es empfiehlt sich eher nicht, ein Dreihundert-Euro-Shirt zu tragen, wenn man jemanden den Daumen absägt. So versaut sich Amador durch das spritzende Blut sein schickes Burberry-Polo. Der Vize-Capo der Lokos demonstriert in einer abgelegenen Zementfabrik mal wieder, dass man Barça-Ultras besser nicht in die Quere kommt. Gegenüber Gangboss El Cid und Diego mitsamt seinen Kapuzensweater-Skins macht Amador auf dicke Hose, obwohl er doch lieber an der Versace-Chino seines Opfers riechen und dessen Füße küssen möchte. Er verheimlicht, dass er ist, was die homophobe Hooligan-Gang als Schwanzlutscher disst und niemals als Leader dulden würde. Amador sucht den Ausstieg aus der Szene, gerät aber an den unerbittlichen César, der seine Rachemorde gern als Haushaltsunfälle in Verbindung mit Schwerkraft tarnt. Weil dessen Schwester Paloma als Druckmittel gegen einen Loko missbraucht und deren Teenagertochter Lucía entführt wird, kreist der Schreinerhammer. Der katalanische Autor Kiko Amat biegt mit qualmenden Reifen in die Problemviertel der Metropolregion Barcelonas ab, deren Orte wie „El Prat“ für deutsche Ohren lautmalerisch nach Kopfnuss klingen und wo das Tragen eines Real-Trikots mindestens ein paar ausgeschlagene Zähne kostet. Da riecht es nach Fußballumkleide, wenn die tragischen Hauptfiguren bei dem grandiosen Gewaltballett mit dem Tod tanzen. Ob ein Hinterkopf mit trockenem Knacken gegen eine Betonmauer prallt, Hoden an den Kabeln einer Autobatterie britzeln oder die Hools im lässigen Slang labern: Kiko Amat kennt den Sound der Suburbs – und lässt seine Dudes extrem stylisch um die Ecke biegen …
btb, 2024, 448 S., 17 Euro
Aus d. Span. v. Daniel Müller
1. John Galligan: Bad Axe County
Die Milch macht’s? Es ist eine zweifelhafte Ehre, eine Dairy-Queen zu sein: Die 17-jährige Heidi muss fürs Milch-Marketing nicht nur Kakao kippen und Käsetrends kennen, sondern sich dem Catcalling brünstiger Bauernbürschchen aussetzen und zotig begrapschen lassen. Es beult sich nämlich in so manch einem Hosenstall, sobald eine junge Frau in Tatschweite kommt und sich das Thema um Zitzen und Gemelk dreht. Ja, es gibt ein paar Gründe, einen Bogen um das ländliche Wisconsin zu machen: Nicht selten markiert der Erwerb eines Revolvers den Abschied von der Kindheit, Alkohol und Opiate sind das A und O einer nicht zu Ende gedachten Lebensweise. Unbehindert von lästiger Intelligenz frönen Macho-Männer mit rotgebrannten Stiernacken dem Zeitvertreib einer robusten Schlägerei oder erweitern ihren dürftigen Lebenslauf mit der Teilnahme am nächsten Gangbang.
Der amerikanische Autor John Galligan stellt gleich im ersten Band seiner bislang vierteiligen Serie klar: Seine taffe Heldin Heidi muss in der Provinz des mittleren Westens gegen allerhand Dumpfbäckchen und brutale Misogynie ankämpfen. Dazu bekommt sie mit dem mysteriösen Tod ihrer Eltern schweres seelisches Gepäck aufgebürdet. Zwölf Jahre sind seit Heidis Zeit als Dairy-Queen und der vermeintlichen Selbsttötung ihrer Eltern vergangen. Mittlerweile ist sie mit dem Baseballcoach Harley verheiratet und kümmert sich um Kinder und Kälbchen. Doch hat der niemals überführte Mörder die Rechnung ohne das einstige Milchmädchen gemacht. Statt Sahnehäubchen trägt sie nun nämlich stolz einen Sheriffstern. Interimsmäßig, nachdem der korrupte Vorgänger für immer beide Augen zugedrückt hat. Eigentlich undenkbar, dass eine Frau jemandem wie Deputy Boog Lund den Job weggeschnappt. Der riecht nicht nur wie Bauernpfanne, sondern benimmt sich auch genauso derb gegenüber der ungeliebten neuen Chefin. Ein überfallener Bibliothekar, ein Einbruch in der Fleischfabrik und wieder einmal eine vermisste Teenagerin: Da bleibt Heidi wenig Zeit für die Aufklärung ihrer traumatischen Familientragödie, deren Verursacher sie endlich aufspüren und am liebsten per Selbstjustiz richten will.
John Galligan hätte das alles als Country-Slasher inszenieren können, bei dem es jeder Sau grausen würde. Ja, auch hier wird auf Picknicktischchen penetriert, mit dem Teppichmesser tätowiert, und es gerinnt auch mal Hirn in einer Lache Benzin. Doch setzt Galligan auf eine elegantere Form der Anklage. Seine lebensechten Charaktere erleben mit einer irritierenden Selbstverständlichkeit die Geschehnisse seines Provinzthrillers. Ohne Rechtfertigung für die Taten der Unsympathen erschafft er eindrucksvolle Szenenbilder ohne Voyeurismus, die bestehende Machtstrukturen demaskieren. Wenn gleich zum Start der Serie ausgerechnet ein Hochdruckreiniger zur Lösung eines Verbrechens führt, lässt sich das durchaus auch allegorisch verstehen: Für Heidi wird es noch einige Dreckecken geben, in denen sie als Sheriff mal ordentlich durchkärchern muss. Zwischenzeitlich braucht sie Trost von Tieren, um sich wieder etwas zu erden. Vielleicht sollten wir alle uns hin und wieder zärtlich von einer Kuh anstupsen lassen?
Polar, 2024, 348 S., 17 Euro
Aus d. Engl. v. Kathrin Bielfeldt
Riskieren Sie auch einen Blick auf unsere Liste der besten Krimis im März 2024!