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„Die Lieder wollen geschrieben sein“: Dota über neues Album „Springbrunnen“

Dota
Dota (Foto: Annika Weinthal)

Nach zwei vielbeachteten Mascha-Kaléko-Alben melden sich Dota mit einer originären Platte zurück. Aber traut Dota Kehr den eigenen Texten überhaupt noch?

Dota, wenn mich nicht alles täuscht, hattest du den Song „Kettenkarussell“ schon 2022 oder 2023 im Repertoire. Wie lange braucht ihr durchschnittlich, um genug Stoff für ein Album anzusammeln?

Dota Kehr: Eigentlich schreibe ich immer. Oder jedenfalls immer, wenn mich was beschäftigt, aber nie mit dem Vorsatz, Songs für ein Album zu sammeln, sondern weil die Lieder einfach geschrieben sein wollen und sich aufdrängen. Ich hätte diesmal auch schon viel früher genügend Stücke für ein Album zusammengehabt, aber das zweite Kaléko-Album und eine Platte mit Freunden aus Brasilien kamen dazwischen. Deshalb musste „Springbrunnen“ ein bisschen warten und ist immer mehr angewachsen.

Was ist dein emotionales Zentrum auf „Springbrunnen“, bei so viel Material?

Kehr: Ganz klar – wie kann man die Hoffnung behalten? Die Hoffnung auf eine positive Wendung, auf eine gute Zukunft, auf weniger Krieg und Gewalt. Die Hoffnung, dass wir im Klimaschutz noch das Ruder rumreißen, dass die Stürme und Brände und Überflutungen, die uns bevorstehen und die klar und deutlich zeigen, wie weit der Klimawandel fortgeschritten ist, sich noch irgendwie auffangen lassen. Und die Hoffnung auf das gute Leben für alle, die ja selbst aus den politischen Versprechen fast verschwunden ist – das alles hat mich sehr beschäftigt.

Ohne dabei die kleinen Pausenmomente zu vergessen, in denen man zu neuer Kraft für diese Hoffnung kommt – wie eben in einem Springbrunnen zu baden oder aufs Kettenkarussell zu steigen.

Kehr: Musik kann ja auch Wirklichkeitsflucht sein. Es ist erlaubt, dass sie Eskapismus ist, einfach nur Trost und Sich-aufgehoben-Fühlen – oder auch überbordende Freude. Aber ich spiele eben trotzdem kein Programm, das nur aus Eskapismus besteht. Ich hab immer wieder ein Bedürfnis, die Gegenwart und ihre Zumutungen und Krisen zum Gegenstand der Lieder zu machen. Zwischendurch.

Betrachtest du „Das wogende Meer“ als geistigen Nachfolger zu Mascha Kalékos „Für Einen“?

Kehr: Schön, dass du fragst. (lacht) Ja, vielleicht gibt es da eine Verbindung. Maschas Texte haben mich sehr beeinflusst, das äußert sich auf „Springbrunnen“ darin, dass die Texte verdichteter sind. Ich habe versucht, mit weniger Zeilen auszukommen und mehr Platz für die Musik zu lassen. Bei ein paar Stücken war der Zugang noch experimenteller, da habe ich versucht, mehr nach dem Sprachklang zu schreiben.

Welchen Einfluss hatte die Aufnahme von zwei Fremdtext-Alben auf die Bewertung deines eigenen lyrischen Schreibens? Hattest du manchmal das Gefühl, dass dein eigenes Schreiben gegen das von Kaléko ein bisschen, sagen wir, abstinkt?

Kehr: Es macht natürlich einen Unterschied, wenn man reine Gedichte schreibt, als wenn man zur Musik schreibt. Ich betexte oft Melodien, da müssen ganz andere Kriterien berücksichtigt werden. Kalékos Texte sind herausragend, damit kann man sich kaum vergleichen.

Wie schreibt man ein gutes Liebeslied? Wie findest du den Mittelweg zwischen dem Ausdruck eines sehr persönlichen Zugangs zu dem Gefühl und Übertragbarkeit im Sinne deines Publikums?

Kehr: Je schonungsloser und je ehrlicher und wahrer ein Lied ist, umso allgemeingültiger wird es komischerweise. Und je genauer man beobachtet, desto leichter wird es, alles Klischeehafte zu vermeiden. Natürlich ist das private, tagebuchmäßige Schreiben immer was ganz anderes, als für Publikum zu schreiben. Das lyrische Ich hat ja überhaupt nur Berechtigung im Lied, weil sich da jede:r einsetzen kann. Leute gehen ja nicht zu Konzerten, weil sie unbedingt wissen wollen, was der Sänger oder die Sängerin auf der Bühne irgendwann gefühlt hat. (lacht) Ich freue mich immer über Lieder, die berührend sind, die Bilder entstehen lassen, den Zuhörer:innen Freiheiten geben und die trotzdem nicht wahllos sind. Eine Balance aus dem Ehrlichen und dem Allgemeingültigen eben.

Nüchterne Räusche spielen ja nicht nur auf dem neuen Album eine Rolle, Stichwort wieder „Kettenkarussell“ und „Im Springbrunnen baden mit nackten Milliardären“. Ist das lyrische Ich, das du in deinen Texten aufbaust, eine abstinente Person?

Kehr: Kann sein. Das Besingen von irgendwelchen Drogenerfahrungen spielt ja in der aktuellen mainstreamigen Popmusik eine super große Rolle. Da hab ich keinen Bock, mitzumachen. Ich will auch mein Privatleben privat sein lassen. Das zu besingen, finde ich eine merkwürdige Verherrlichung. Allerdings würde ich auch kein moralisches Urteil anlegen, bloß eins fehlender Originalität vielleicht. Gut, nehmen wir „Kettenkarussell“. Ich mag die Metapher, und wie sie sich in alle möglichen Richtungen durchspielen lässt: „…so lang die Kette mich hält, kann ich daran fliegen“. Ja, okay, man kann es harmlos nennen, aber es geht ja darum, dass es eine poetische Ebene gibt, die zugänglich ist und etwas Signifikantes über unsere Zeit aussagt.

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