Die Sasami-Taktik: Interview über „Blood on the Silver Screen“

Sie zählt zu den derzeit spannendsten und wandlungsfähigsten Musikerinnen – und das liegt nicht zuletzt daran, wie Sasami im Fitnessstudio trainiert.
Sasami, echt wahr, dass das Gym die maßgebliche Inspiration für dein neues Album gewesen ist?
Sasami Ashworth: Für den Popsound gab es mehrere Auslöser, die sich nach und nach zusammengefügt haben. Für mich als Musikerin ist es schwierig, einfach nur Musik zu hören. Ständig analysiere ich und denke über die Produktion oder das Songwriting nach. Im Fitnessstudio habe ich aufbauende Popmusik gebraucht, um mich zu motivieren. Und die habe ich dann tatsächlich einfach nur genossen, ohne über technische Aspekte nachzudenken.
Aber damals hast du Sport getrieben, um auf der Tour mit deiner Metal-Platte „Squeeze“ fit zu bleiben.
Ashworth: Ein weiterer Grund, warum ich mit „Blood on the Silver Screen“ jetzt ein Popalbum veröffentliche, war das Gefühl, dass mein Körper nicht noch eine Metal-Platte verkraftet. Ich habe viel geschrien, bin wie aufgezogen rumgerannt und von Verstärkern gesprungen. Da habe ich mich nach Songs gesehnt.
Hast du mal versucht, zu Rockmusik zu trainieren oder dabei gar „Squeeze“ abzuspielen?
Ashworth: Die einzelnen Übungen verlangen nach unterschiedlichen Genres. Beim Gewichtheben funktioniert Metal, aber wenn ich auf dem Laufband bin, brauche ich erbaulichen Pop, um vorwärts zu kommen.
Du bist mit klassischer Musik aufgewachsen und hast als Zehnjährige angefangen, das Waldhorn zu spielen. War das Fitnessstudio dein erster Popmoment?
Ashworth: Ich hatte in meiner Jugend schon auch CDs von Britney Spears und *NSYNC. Trotzdem war da immer dieses Gefühl, dass mich dieser Mainstreamsound nicht so repräsentiert, wie Postpunk oder vernebelter Rock es können. Ich war eine seltsame Außenseiterin und bin noch in einer Zeit aufgewachsen, in der man durch die Festlegung auf ein bestimmtes Genre seine Persönlichkeit ausgedrückt hat. Musik hat für mich immer Gegenkultur bedeutet, aber jetzt genieße ich es, dass ich auf der neuen Platte viele Bezüge zur Popkultur herstelle und in „Slugger“ etwa Steve Lacey und Dolly Parton erwähne.
Warum ein Album über die Liebe, wenn es doch schon Billionen Songs zu diesem Thema gibt und eigentlich alles gesagt ist?
Ashworth: Wenn du ein total geiles Sauerteigbrot entdeckst, ist es dir dann nicht komplett egal, dass zuvor schon mal jemand Brot gebacken hat? (lacht) Auf der Platte ist nicht alles autobiografisch, aber für mich war etwa auch ein Abgleich mit den Überzeugungen der konservativen Unification Church wichtig, in der ich aufgewachsen bin. „For the Weekend“ formuliert etwa, dass Liebe und tiefe Verbindungen nicht von festen Partnerschaften abhängen. „Nothing but a sad Face on“ porträtiert die aus dem Paradies vertriebene Eva und stellt den Gefühlen der Einsamkeit und des Ausgegrenztwerdens die Selbstbestimmung entgegen.
Sie sind tanzbar und extrem eingängig, aber keines deiner Liebeslieder kommt ohne Selbstzerfleischung oder zumindest Traurigkeit aus.
Ashworth: Ich habe schon die Tendenz, immer auch dunkle Bereiche und Abgründe zu erkunden. Deswegen war es mir auch wichtig, dass am Ende der Platte „The Seed“ steht. Der im Vergleich zum Rest des Albums düster klingende Song sagt, dass die Liebe all das wert ist. Er bringt das Album ans Licht und formuliert Hoffnung.
Ist ein zu 100 Prozent positives Liebeslied langweilig?
Ashworth: Auf gar keinen Fall! Es gibt Situationen, in denen ich genau das brauche, und ich hoffe, dass ich irgendwann in der Zukunft mal so glücklich sein werde, dass ich ein Album voller vermeintlich kitschiger Liebeslieder veröffentliche. Solange es ehrlich ist, wäre das voll okay.