„Hallo Euphoria“ von Die Sterne: Pop für erwachsene Menschen
Ohne zu verurteilen, wollen Die Sterne auf „Hallo Euphoria“ unsere Gegenwart auf den Punkt bringen. Nur bei den rücksichtslosen Porschefahrern hält Sänger Frank Spilker die eigene Maxime nicht durch.
Frank, wenn Künstler:innen derzeit auf unsere dunkle Gegenwart reagieren, dann entweder mit euphorischer Realitätsflucht oder mit appellativen Dystopien. Das neue Sterne-Album „Hallo Euphoria“ besetzt da einen spannenden Zwischenraum.
Frank Spilker: Das Problem unserer Zeit ist es doch, dass alle immer viel zu schnell Partei ergreifen – auch in Situationen, in denen die Informationen noch gar nicht da sind. Das hat man in der Pandemie gesehen und auch jetzt in der Kriegssituation. Da ist vielleicht so eine Stimme wie Die Sterne wichtig: Wir versuchen, nicht ständig zu urteilen, sondern wollen erstmal über Zustände berichten. Wenn man den Leuten vorschreibt, was sie denken sollen, dann ist das immer ein stückweit paternalistisch und auch ein stückweit Schlager. Das andere Extrem ist es, völlig beliebig zu sein. Ich finde, wir sind immer so in der Mitte. Es ist Pop für erwachsene Menschen. Die Position dazu können sich die Hörer:innen dann selbst konstruieren.
Eine Ausnahme ist der Song „Die Kinder brauchen Platz zum Spielen“. War da die Dringlichkeit so groß, dass der Text ganz explizit sein musste?
Spilker: Man ist es eben irgendwann leid, alles mit diesem neoliberalen Freiheitsbedürfnis gerechtfertigt zu bekommen. Das Feindbild des rücksichtslosen Porschefahrers und Konsumierers ist ja weit verbreitet. Nur sind die Sachen, die über dieses Thema gesagt werden, einfach immer wieder dieselben. Das könnte man nicht einfach in einen Song packen, weil diese Wiederholung unheimlich öde wäre. Die Zeile „Die Kinder brauchen Platz zum Spielen“ hat mich selbst überzeugt, weil sie direkt, aber nicht lächerlich oder ausgelaugt ist.
„Du lebst in einer der reichsten Industrienationen, die die Ressourcen nur so wegverbraucht und den Planeten ruiniert, aber wenn du beim Biobäcker kaufst, ein E-Auto fährst und in der Stadt mit einem Lastenrad unterwegs bist, dann kannst du dich wie im Mittelalter freikaufen und mit dem Finger auf die anderen zeigen, die sich das alles nicht leisten können und Tiefkühlpizza fressen.“ Frank Spilker von Die Sterne im Interview zum neuen Album „Hallo Euphoria“
In „Niemand kommt unschuldig raus“ schneidest du die Themen „Pandemie“ und „Flucht“ zusammen. Aber muss nicht gerade beim Migrationsthema die Schuldfrage ganz laut gestellt werden?
Spilker: Ist es denn erstrebenswert, unschuldig zu sein? Das ist so ein bisschen die Lebenslüge unserer Gesellschaft, die daraus dann wieder Konsum macht. Du lebst in einer der reichsten Industrienationen, die die Ressourcen nur so wegverbraucht und den Planeten ruiniert, aber wenn du beim Biobäcker kaufst, ein E-Auto fährst und in der Stadt mit einem Lastenrad unterwegs bist, dann kannst du dich wie im Mittelalter freikaufen und mit dem Finger auf die anderen zeigen, die sich das alles nicht leisten können und Tiefkühlpizza fressen. „Niemand kommt unschuldig raus“ meint, es gibt keine Konsumentscheidungen, die dich da befreien können.