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„Die Streicher muss man sich verdienen“: AnnenMayKantereit im Interview

Die drei Mitglieder von AnnenMayKantereit sitzen im Proberaum und machen zusammen Musik.
Diesen Sommer fokussieren sich AnnenMayKantereit voll und ganz auf ihre eigenen Konzerte. (Jamie Cameron)

Auf ihrer aktuellen Tour wollen AnnenMayKantereit auch den Kölner Musik-Olymp erklimmen – und sich ein paar lang gehegte Wünsche erfüllen.

AnnenMayKantereit: auf Tour mit „Es ist Abend und wir sitzen bei mir“

Christopher, was machen die Sommergefühle?

Christopher Annen: Ich bin heute Morgen schon durchs sonnige Köln spaziert – also alles super schön.

Deine beiden Bandkollegen Henning May und Severin Kantereit hatten heute keine Zeit. So kann dir wenigstens niemand dazwischenquatschen.

Annen: Zu zweit oder zu dritt ist sowas natürlich immer entspannter. Da kann ich mich auch mal zurücklehnen. Inzwischen komme ich aber auch super alleine damit klar. Ich hoffe, du hast jetzt keine fiesen Fragen vorbereitet. (lacht)

Niemals. Jetzt, da wir unter uns sind, kannst du ja mal verraten, ob du dir einen Sommerurlaub mit den anderen beiden vorstellen könntest – oder würde die Band daran zugrunde gehen?

Annen: Das haben wir tatsächlich schon ein paar Mal gemacht – obwohl es nie so richtig Sommerurlaub gewesen ist: Vor fünf Jahren sind wir im Frühjahr in Tel Aviv gewesen, haben dort aber auch viel geschrieben. Und dann noch einmal drei Wochen am Stück in den USA. Das hat immer wunderbar funktioniert.

Müsst ihr zwingend Köln verlassen, um Songs schreiben zu können?

Annen: Unterschiedlich. Für „Schlagschatten“ haben wir das gemacht, bei „12“ waren wir sozusagen im Homeoffice, und für „Es ist Abend und wir sitzen bei mir“ haben wir jetzt wieder ganz klassisch im Proberaum zusammengearbeitet.

Inzwischen ist das Album auch schon gute vier Monate draußen – wie fällt das vorläufige Fazit aus?

Annen: Für mich war es, auch was die Produktion angeht, eines der entspanntesten und schönsten Alben. Wir haben einfach viel schneller zueinandergefunden und unkomplizierte Entscheidungen getroffen. Zumal das Feedback, vor allem bei den Konzerten, wirklich richtig super ist.

Diese Ruhe und Gelassenheit spiegeln sich auch im Sound des Albums wider. Obwohl ihr Themen wie Süchte, Depressionen und zerbrochene Liebe verhandelt.

Annen: Mit Songs wie „Heute Abend wird es regnen“ oder „Lottoscheine“ hat das Album schon auch eine Schwere, aber insgesamt ist die Platte wieder leichter, das stimmt. Grade der Titelsong ist für mich total ruhig und fließend.

Ist das etwa verfrühte Altersmilde?

Annen: Also Altersmilde verbinde ich eher mit 70 plus.

Was ist es dann?

Annen: Inzwischen wissen wir einfach viel besser, was wir können und was nicht – das war zu Beginn definitiv nicht so. Zudem haben wir uns die letzten zwei, drei Jahre auch hinter den Kulissen neu aufgestellt.

Mittlerweile seid ihr alle drei auch schon Ü30.

Annen: Manchmal sehe ich Fotos aus unserer Anfangszeit: Ich, Anfang 20 und so ein Bandana um die Stirn. Da denke ich mir eher so: Joa. (lacht) Aber die letzten zwölf Jahre waren einfach eine wunderschöne, intensive und verrückte Zeit.

Das klingt, als wäre es heute nicht mehr so.

Annen: Doch klar, wir sind aber einfach ein kleines Stück angekommen, selbstbewusster. Wir jagen nicht mehr irgendeinem Ideal hinterher. Es gelingt uns viel besser, das Jetzt zu genießen.

Live ist hingegen alles immer größer und intensiver geworden. Auf der anstehenden Tour habt ihr sogar ein Streicher:innen- und Bläser:innen-Ensemble dabei.

Annen: Das war von Anfang an unser großer Traum. Moses Schneider, unser erster Produzent, hat immer gesagt: Die Streicher muss man sich verdienen. Jetzt ist es so weit. (lacht)

Auch das ganze Drumherum bei euren Tourneen dürfte professioneller, wenn nicht gar luxuriöser geworden sein. Weint ihr manchmal der Unprofessionalität eine Träne nach?

Annen: Ich weiß, was du meinst. Erst kürzlich sind wir auf Klubtour gewesen: nur ein paar hundert Leute vor der Bühne und im Sprinter durch Deutschland – ein bisschen Rock’n’Roll. (schmunzelt) Aber bei Hallentourneen wie jetzt hängen natürlich auch fünfmal mehr Leute dran. Das bedeutet auch, dass alles professionell und reibungslos ablaufen muss.

„Wenn du als Kölner Band im Stadion des 1. FC. Köln gespielt hast, bist du im Olymp“

Worauf achtet ihr denn besonders?

Annen: Worauf wir sehr, sehr großen Wert legen, ist, dass es gutes Essen gibt. Für jeden aus der Crew. Es soll nicht nur jede:r satt werden, es soll auch gut schmecken. Damit steht und fällt so eine Tour. Wenn die Verpflegung über zwei Wochen Kacke ist, kannst du’s knicken.

Ihr habt also in Sachen Catering auch schon schlechte Erfahrungen gemacht?

Annen: Jede Band macht da zu Beginn schlechten Erfahrungen. (lacht) Einmal hat uns ein Veranstalter ganz gönnerhaft nach zwölf Stunden Fahrt einen Teller Pommes hingestellt, uns dann väterlich auf die Schultern geklopft und gesagt: Bei uns geht’s den Künstlern doch immer gut!

Auf eurem aktuellen Album besingt ihr den Erdbeerkuchen. Der dürfte also schonmal feststehen fürs Tour-Catering.

Annen: (lacht) Ich hoffe! Nachmittags sollte es schon etwas Süßes geben.

Den Tourabschluss feiert ihr in einem bereits ausverkauftem RheinEnergieStadion. Das muss etwas ganz Besonderes für euch sein.

Annen: Absolut. Wir sind alle drei hier aufgewachsen, und wenn früher Robbie Williams oder so im Stadion gespielt hat, hab’ ich das mit geöffnetem Fenster bei mir im Kinderzimmer hören können. Wenn du als Kölner Band im Stadion des 1. FC. Köln gespielt hast, bist du im Olymp.

 

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