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„Ich glaube an das Auratische des Originals“

Digitales Museum Curatorial Kunstmuseum Wolfsburg
Screenshot Curatorial Kunstmuseum Wolfsburg. Abb.: Mithu Sen, Phantom Pain, 2018 ((c) Mithu Sen. Foto: Kunstmuseum Wolfsburg/Marek Kruszewski)

Digitale Angebote sind gerade wichtiger denn je. Für Kommunikationsleiterin Katharina Derlin vom Kunstmuseum Wolfsburg bieten sie dem Museumsbesuch aber keine Konkurrenz. Im Gegenteil.

Katharina Derlin

Frau Derlin, für Ihr digitales Angebot planen Sie mit dem Curatorial ein interaktives Storytelling-Format. Was genau kann ich mir darunter vorstellen?

Katharina Derlin: Wir haben unsere große Schau In aller Munde interaktiv aufbereitet – im Grunde passend zum Lockdown. Die verschiedenen Kapitel der Ausstellung sind angerissen, wer möchte, kann in Inhalte weiter eintauchen, sie sind aber so aufgebaut, dass man aktiv klicken muss – oder eben weiterscrollt. Es ist bild- und textreich, wenn man möchte, erhält man Zusatzinformationen. Das soll für jede*n intuitiv erfahrbar sein, ein spielerisches Vertiefen in die Inhalte.

Mit digitalen Formaten machen Sie Ihre Inhalte auch jenseits von Öffnungszeiten für jeden zugänglich. Erleben Sie in Zeiten des Lockdowns ein gesteigertes Interesse an digitalen Angeboten?

Derlin: Unbedingt. Und unsere Follower freuen sich sehr, dass wir ermöglichen, auch von zuhause aus Kunst zu erleben. Wir erhalten für die verschiedenen Formate wie Curatorials, Insta-Walks oder kleine Videoclips nur positives Feedback.

Digitale Strukturen sollen ja vor allem zu einem Museumsbesuch anregen. Welche Anreize spielen dabei eine Rolle?

Derlin: Ich glaube, kleine Einblicke vor und hinter den Kulissen sind anregend und spannend für unsere User. Digitale Angebote sollen aber den Besuch vor Ort nicht ersetzen, sondern vielmehr Lust machen, uns zu besuchen.

Worin sehen Sie mögliche Barrieren oder Hemmungen bei Menschen, sich aktiv mit Kunst auseinanderzusetzen?

Derlin: Das ist ein sehr komplexes Thema. Bei manchen ist es gar nicht so auf dem Radar, teilweise auch, weil vielleicht schon im Elternhaus Kunst und Kultur kaum gewichtet wurden. Andere finden Inhalte und Erklärungen zu elitär, zu abgehoben. Gerade mit zeitgenössischer Kunst können viele nichts anfangen, da kommen dann schnell Aussagen wie „Das kann ich auch“ oder man fragt: „Was soll das denn?“. Und genau das ist dann unser Anknüpfungspunkt, hier abzuholen und genau das zu erklären: Was soll das?

Welche Möglichkeiten und Chancen liegen in der digitalen Kunstvermittlung gegenüber klassischen analogen Strukturen?

Derlin: Zur analogen Vermittlung muss die Schwelle des Museumseingangs überwunden werden – digital können wir andere Zielgruppen abholen. Wir haben digital also die Möglichkeit, für unsere Inhalte auch jene zu begeistern, die vielleicht noch gar nicht bei uns waren. Analog ist Kunstvermittlung natürlich viel unmittelbarer, man kann mehr auf individuelle Fragen und Bedürfnisse eingehen als bei einer digitalen Anonymität.

Digitales Angebot im Netz schürt immer auch den Trend zur Kostenloskultur. Wie lässt sich dem begegnen, ohne das Angebot einzugrenzen?

Derlin: Unsere Schau hat weit über 250 Exponate, darunter neben Fotografien und Gemälden auch Installationen und Videoclips. Das können und wollen wir nicht in Gänze digital anbieten, denn: Die Erfahrung vor Ort ist doch eine andere, intensivere, als sich Kunst digital anzuschauen. Ich glaube auch an das Auratische des Originals, an den Moment, vor einem echten Warhol, Picasso oder Man Ray zu stehen. Das kommt mit einem Videoclip gar nicht an. Dafür muss man doch unbedingt ins Museum!

Interview: Janka Burtzlaff

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