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Der Trip-Hirte: DJ Koze im Interview zu „Music can hear us“

DJ Koze
DJ Koze (Foto: Matthias James Schueller)

Für den Flow braucht Stefan Kozalla alias DJ Koze weder Smoothies noch Ayahuasca. Er setzt lieber auf ein cleanes High – und viele Feature-Gäste.

Stefan, mit „Music can hear us“ erscheint nun dein erstes Soloalbum seit sieben Jahren. Gibt es ein bestimmendes Gefühl, dass dich durch diese Zeit und zu diesem Album geleitet hat?

Stefan Kozalla: Na ja, wir hatten Corona, jetzt zum zweiten Mal Trump, alles ist sehr doomig, sehr traurig geworden. Die Musik ist dann wiederum zu einem Safe Spot für mich geworden. Aktuell bin ich am Erkunden auf der Stufe zur HSP: hochsensiblen Person. Ich hab schnell von vielem zu viel. Vor allem von Menschen, sozialen Kontexten, Lautstärke. Manchmal fühle ich mich wie ein Schwamm oder ein Rundfunkempfänger, und das gesamte Rauschen der Welt nistet sich bei mir im Kopf ein. Das Musikmachen ist dann eines der wenigen Dinge, die es mir erlauben, im Hier und Jetzt zu sein. Wie ein Flow. Vielleicht auch eine Flucht.

Dieses Album flowt auch regelrecht durch einen hindurch. Zumal es am Flow des Vorgängers „Knock Knock“ andockt. Ich höre da schon eine Kontinuität im Sound.

Kozalla: Weil ich mich so schnell langweile, versuche ich eigentlich ständig, etwas Neues zu machen. Im Endeffekt klingt aber immer alles gleich. (lacht) Nee, Quatsch. Aber meine Handschrift ist nun mal da. Bei so Songs wie „Die Gondel“ mit Sophia Kennedy fällt es mir wiederum sogar selbst schwer, zu beschreiben, was für eine Art von Musik das sein soll. Dunkel, mystisch, psycho, eine arabische Sirene und Kanonensalven. Ich check selber den Sound nicht. Das ist aber ein gutes Zeichen. Da will ich immer hin.

Trotzdem klingt dieses Album wahnsinnig kohärent. Was bei der Masse an Gästen, wie etwa Damon Albarn, The Notwist oder Sofia Kourtesis, auch nicht selbstverständlich ist.

Kozalla: Ich frage mich immer: Wie kann es irre werden? Wie kann es außergewöhnlich werden? Mein Job ist schlussendlich, alles wie ein Tripsitter zu guiden, dass dir der Sound beim Hören wie ein alter Bekannter vorkommt. Als wäre ich ein Hirtenhund, der die ganzen verrückten Schafe auf die Weide treibt. Der Produzent ist dann das Bindeglied. Busta Rhymes hat jetzt ein Album gemeinsam mit Pharrell Williams, Timbaland und Swizz Beatz produziert, und das ist dann wirklich Kraut und Rüben.

Du selbst hast gesagt, dass du mit diesem Album nah ans Reisen ohne Bewegung herangekommen bist. Da muss ich an Meditation denken. Meditierst du?

Kozalla: Bis vor kurzem ist Meditation mein zweitmeistgehasstes Wort nach Yoga gewesen. Dicht gefolgt vom Ayahuasca und Wechsel-Juice-Smoothie. Womöglich entgeht mir da aber auch was Großes.

Als passionierter Jiu-Jitsu-Kämpfer brauchst du all sowas also nicht?

Kozalla: Mit BJJ ist es ganz ähnlich wie mit dem Flow State des Musikmachens. Du wirst gewissermaßen gezwungen, im Hier und Jetzt zu sein. Dir will einer die Gurgel umdrehen, und du kannst nicht anderes, als in absolute Wachheit zu geraten. Das gelingt mir alleine eigentlich nie. Also ja: Im Grunde ist das eine Art Meditation für mich. Manchmal komme ich vom Training nach Hause, kaputt wie nach einer Kneipenschlägerei, bin völlig fertig, liege dann aber noch bis drei oder vier Uhr wach, weil dein ganzer Geist wach ist. Bruce-Willis-mäßig. Und danach wirst du süchtig. Ein cleanes High. Grüße aus der Chemieküche.

Trotz des düsteren, melancholischen, mitunter interstellaren Sounds reitet dieses Album auch auf einem High. Das Album feiert pure Liebe, die menschliche Schönheit und Zweisamkeit. Dir scheint es aktuell ganz gut zu gehen.

Kozalla: Ich leide und klage schon noch sehr oft. Aber freut mich, zu hören. Mit so einem Album baue ich mir mein abgeschottetes Bullerbü. Und ich weiß auch einfach nicht, was ich sonst machen soll, außer mich mit voller Hingabe dem Handwerk und dem Ausdruck der Musik hinzugeben. Das hält mich am Leben. Und egal, wie scheiße es gerade ist, Liebe ist immer da. Sie hält uns zusammen. Hört sich kitschig an, ist aber so.

Mitunter wird es auf dem Album aber auch ganz weltlich. Du hast zusammen mit Soap&Skin eine Neuauflage des Discohits „Vamos a la Playa“ aufgenommen. Ein Song, der sich eigentlich gegen Umweltverschmutzung, nukleares Aufrüsten und falsche Energiepolitik richtet. Alles Themen, die seit 1983 nicht an Aktualität eingebüßt haben.

Kozalla: Der Song ist wie ein Trojanisches Pferd. Das war eigentlich Ballermann-Musik, hat aber underneath einen dunklen Text versteckt gehalten. Und die Idee, Soap&Skin „Vamos a la Playa“ singen zu lassen, ist auch einfach sehr lustig, oder? Der Song ist aber wirklich ein ganz erhebender Moment auf der Platte.

Vielleicht zum Abschluss: Hast du gerade ein paar spannende Musikempfehlungen für mich?

Kozalla: John Glacier, die ist ganz toll. Bei Burna Boys Stimme schmelze ich tatsächlich auch immer dahin. Und in Deutschland finde ich Apsilon sehr besonders.

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