Interview zu „Avichrom“ von Dominik Eulberg: Ein bunter Vogel
Wenn Dominik Eulberg auf „Avichrom“ mit zeitloser Elektronica unsere gefiederten Freunde erkundet, geht es ihm auch um weibliche Selbstbestimmung.
Dominik Eulberg, du wirst nun schon seit etwa 20 Jahren und nicht erst seit dem Album „Avichrom“ bestaunt, weil du unter der Woche der studierte Biologe und zurückgezogen lebende Naturschützer im Westerwald bist und am Wochenende als Produzent und DJ auf Festivals und in Clubs unterwegs bist.
Dominik Eulberg: Es ist schon merkwürdig, dass die Menschen immer in Schubladen denken. Ein Mensch hat doch viele Facetten, und ich sage immer: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Das Grenzgängerische ist doch das wirklich Wertvolle, denn nur so können wir Brücken schlagen.
Liegt es nur an der Pandemie, dass die Sensibilisierung für die Natur in deinem Leben wichtiger geworden ist? Du hast letztes Jahr das ungemein erfolgreiche Buch „Mikroorgasmen überall“ veröffentlicht, und natürlich gibt es da jetzt auch eine jüngere Generation, die in Sachen Naturschutz besonders engagiert ist.
Eulberg: Durch Corona bin ich ein bisschen aus meiner Deckung rauskommen. Auch früher habe ich bei Techno-Festivals schon mal Führungen angeboten, aber jetzt war einfach die Zeit da, andere Dinge anzuschieben: das Buch, Lesungen, Vorträge, ich bin mittlerweile Gastwissenschaftler im Museum für Naturkunde in Berlin, und mit der ARD laufen gerade Gespräch für eine eigene Fernsehsendung. Klar, die Kinder von heute sind die Zukunft von morgen, und wir spielen gerade Russisch Roulette mit unserem Planeten. Dinge ändern sich, wenn sie mehrheitsfähig sind – und da sind Kunst und Kultur wertvoll, denn das sind niederschwellige Vektoren, um den Leuten das nahezubringen.
„Das ist ein Kunstwort, das ich mir ausgedacht habe, und es steht quasi für ,Vogelfarben’“ Dominik Eulberg über „Avichrom“
Dein großes Thema ist die Biodiversität.
Eulberg: Das ist eine Lebensversicherung für die kommenden Generationen. Viele haben den Begriff noch nie gehört und wissen gar nicht, warum es für uns Menschen so schlimm ist, wenn immer mehr Arten verschwinden.
Dein neues Album führt in die Vogelwelt ein, indem sich jeder der elf Tracks einer anderen Art widmet. Der Begriff „Avichrom“ stammt von Dominik Eulberg, oder?
Eulberg: Genau, das ist ein Kunstwort, das ich mir ausgedacht habe, und steht quasi für „Vogelfarben“. Als Künstler hat mir das Konzept geholfen, bei den unendlich vielen Optionen nicht verloren zu gehen: Bei uns gibt es 259 Brutvogelarten, aber du findest nur elf verschiedene Farben, die in Vogelnamen auftauchen. Spannend ist ja auch die Frage, warum Vögel so bunt sind und so schön singen. Weißt du das?
Äh …
Eulberg: Es hat mit der Anatomie zu tun, denn männliche Vögel haben keinen richtigen Penis. Somit muss es zum sogenannten Kloakenkuss kommen, also Kloake auf Kloake. Erst wenn das Weibchen sich dem Männchen hingibt und den Hinterkörper rausstreckt, kann es zur Befruchtung kommen, und die Männchen müssen mit Gesang und Farben um die Gunst der Weibchen werben. Zwischengeschlechtliche Aggression gibt es bei Vögeln nicht, die gehen sehr liebevoll miteinander um. Und es ist doch eine schöne Sache, dass die Weibchen eine komplette sexuelle Autonomie haben.