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Zähne zeigen

Dry Cleaning im Interview über ihr Debütalbum „New Long Leg“
Foto: Pooneh Ghana

Derzeit die coolste Band Englands: Dry Cleaning! Das liegt auch an den Lyrics von Sängerin Florence Shaw. Dabei geht es in ihren Texten vor allem ums Essen.

Florence, Nick, Tom, habt ihr Dry Cleaning im Jahr 2017 wirklich nach einer Karaoke-Party gegründet?

Nick Buxton: Dieser Abend wird mehr und mehr zu einem Mythos verklärt, aber tatsächlich hat er vieles angestoßen. Die Songauswahl war sehr seltsam, alle waren sehr betrunken, und schließlich haben wir drei Jungs einen Song von den Deftones gesungen.

Mit den Deftones konntet ihr Florence überzeugen, bei Dry Cleaning als Sängerin mitzumachen?

Buxton: Eigentlich singe ich am liebsten Bruce Springsteen, aber da bekomme ich immer Ärger mit den Partymachern, weil es zu professionell klingt.

Tom Dowse: Wenn ich nicht so betrunken bin, wie an jenem Abend, ist meine Geheimwaffe ganz klar Jamiroquai.

Florence Shaw: (lacht) Jamiroquai hätte mich viel schneller überzeugt als die Deftones.

Florence, eigentlich bist du visuelle Künstlerin. Hast du gezögert, dich auf die Musikszene einzulassen?

Shaw: Anfangs habe ich mich schon gefragt, ob ich mich wirklich über Sound statt wie bisher mit Bildern ausdrücken will. Andererseits habe ich auch schon immer viel mit Text gearbeitet. Aber diese Zweifel gab es nur ganz am Anfang, als wir etwa noch die Frage diskutiert haben, ob wir überhaupt Konzerte spielen wollen. Als es dann so richtig losging, war das kein Thema mehr.

Deine Texte setzen sich aus sehr spezifischen Szenen zusammen, bei denen du dich auch von Kommentarspalten im Internet, Werbeslogans und Alltagsgesprächen inspirieren lässt. Und dabei tauchen immer wieder Sätze auf, die unser gegenwärtiges Leben auf den Punkt bringen. „Do everything, feel nothing“ etwa. Oder auch: „I’m smiling constantly and people constantly step on me.“

Shaw: Wenn man ganz nah ranzoomt, schafft das einen Raum, in dem die Hörer*innen eine Verbindung herstellen können. Oft sind es gerade ganz private Details, die eine Tür öffnen.

Dowse: Es sind ja meist ganz kleine Dinge, seltsame Beobachtungen im Detail, die Wahrheit in sich tragen. Was nützt ein großes Statement, das dann doch wieder zerfasert, weil es verallgemeinernd ist?

Meine Lieblingszeile stammt ja aus dem Titelsong des Albums: „Would you choose a dentist with a messy back garden like that?“

Shaw: (lacht) Da geht es ganz konkret um eine Zahnarztpraxis in der Nähe meiner Wohnung. Von außen sieht sie sehr professionell und auch protzig aus, aber dann bin ich mal in einem Doppeldeckerbus an dem Gebäude vorbeigefahren und konnte den total runtergekommenen Garten im Hinterhof sehen. Irgendwie hat mir das Angst gemacht, und ich bin mir ganz sicher, dass dieser Zahnarzt noch sehr viel mehr zu verbergen hat.

In den Texten geht es auch andauernd ums Essen.

Shaw: Argh, mir ist das selbst gar nicht aufgefallen, aber ich werde jetzt andauernd darauf angesprochen. Es ist mir fast ein bisschen peinlich. (lacht) Bin ich eine Food-Fetischistin? Tatsächlich ist es ein gutes Tool um ein Setting zu kreieren und es sehr konkret auszuleuchten.

Du flankierst den Postpunk der Jungs mit oft sehr wütenden und verzweifelten Texten, bleibst aber immer beim Sprechgesang. Hast du nicht manchmal das Bedürfnis, einfach loszuschreien?

Shaw: Die Art meines Sprechgesangs ist ja sehr autoritär, er fühlt sich für mich sehr lebhaft und kräftig an. Auch bei Konzerten empfinde ich mich nicht als ruhenden Gegenpol zur Band. Auf der Bühne ist es ein sehr körperlicher Einsatz, ich stehe die ganze Zeit unter Strom. Bislang ist es mir jedenfalls noch nicht passiert, dass ich mich nach einem Konzert im Backstagebereich abreagieren musste.

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