Ein US-Milliardär und seine 70 Millionen Dollar schwere geraubte Kunstsammlung
Wir alle kennen Geschichten über verborgene Schatztruhen und gestohlene Kunstwerke, die auf abgelegenen Inseln oder in High-Tresoren von der Öffentlichkeit ferngehalten werden sollen.
Dem US-Milliardär Michael Steinhardt war eine solche Suche nach wertvollen Kunstgegenständen dann doch zu umständlich, und er beschloss seine Beute auf eine viel modernere Art und Weise zusammenzuraffen. Er bezahlte Hehler und Kunstdiebe rund um den Globus, die wertvolle Artefakte für ihn besorgten, die aus Sammlungen und Museen auf der ganzen Welt entwendet wurden.
Der Gier des Hedgefonds-Managers auf wertvolle Gegenstände brachte ihn so weit, dass er im Laufe der Jahre eine 70-Millionen-Dollar-Sammlung von unterschiedlichsten Antiquitäten und Kunstwerken aus 11 verschiedenen Ländern zusammengetragen hatte.
Aber erst vor kurzem hatte sich Steinhardt entschlossen, die unrechtlich erstandenen Kunstwerke im Rahmen einer gerichtlichen Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft von Manhattan an die ursprünglichen Besitzer zurückzugeben. Zusätzlich wurde ihm ein lebenslanges Verbot auferlegt, das besagt, dass er in der Zukunft keine wertvolle Kunstgegenstände mehr erwerben dürfte.
Ermittlungen und Anklageverfahren
Das Urteil des Gerichts beruhte auf dem Ergebnis einer langjährigen Untersuchung, die sich mit den Widersprüchen beim Zustandekommen der Sammlung Steinhardt befasste. Die Ermittler richteten eine internationale Task Force ein, die mit insgesamt 11 Justizbehörden im Nahen Osten und in Europa zusammenarbeitete und eine Vielzahl an Durchsuchungsbefehlen ausstellte. Dies alles, um den undurchsichtigen Handlungen des Milliardärs beim Erwerb der Kunstschätze auf die Schliche zu kommen. Am Ende der Untersuchungen konnten die unterschiedlichsten Behörden mehr als 170 Gegenstände aufspüren, die in seinem Geltungsbereich standen, und deckten so eine der bemerkenswertesten Sammlung gestohlener Kunstgegenstände auf.
Trotz der dem Gericht vorgelegten Beweise, die alle darauf hindeuteten, dass Steinhardt beim Erwerb von Kulturgütern „keine moralischen Grenzen“ hatte, bestritt der selbsternannte Kunstmäzen laut Staatsanwalt im Prozess jegliches kriminelles Fehlverhalten. Er konzentrierte sich in seiner Verteidigung stattdessen darauf, die Schuld bei den Kunsthändlern, Geldwäschern und Grabräubern zu suchen, die sich alle beim Erwerb der Gegenstände finanziell bereichert hatten.
Das Verbot, das ihn bis an sein Lebensende daran hindert soll, jemals wieder antike Kunstwerke kaufen zu dürfen, wird mit Sicherheit die höchste Strafe für Steinhardt sein. Die freiwillige Rückgabe der fast 180 zum Teil antiken Kunstgegenstände im Wert von mehr als 70. Millionen US-Dollar an die Herkunftsländer dürfte ihn vor einer weiteren Anklage der Grand Jury bewahrt haben.
Die wertvollsten Teile seiner Sammlung
Um 70 Millionen Dollar kann man sich viele Schätze kaufen, und einige von Steinhardts gesammelten Kunstobjekte waren tatsächlich bemerkenswerte Artefakte. Kunsthistorisch besonders hervorzuheben war das „The Stag’s Head Rhyton“; ein 2.400 Jahre altes Trinkgefäß, das der Sammler selbst im Jahr 1993 an das Metropolitan Museum of Art ausgeliehen hatte. Das antike Objekt, das Jahre zuvor in der Türkei gestohlen wurde, dürfte allein 3,5 Millionen Dollar wert sein – genug, um einen Lotterie-Jackpot zu finanzieren. Aber die Experten am Kunstmarkt sind sich einig, dass der Milliardär das antike Stück zu einem viel niedrigeren Preis erworben hat.
Ein weiteres Highlight, das auch aus Plünderungen von Kunsträubern herrührt, ist ein Ercolano-Fresko im Wert von mehr als einer Million US-Dollar, das 1995 aus einer römischen Villa in den Ruinen von Herculaneum in der Nähe von Neapel verschwand. Das Stück wurde kurz danach von einem Kunsthändler für 650.000 US-Dollar erstanden und es beeindruckt vor allem durch seine einzigartige Darstellung eines Herkules-Kindes beim Ringen mit einer Schlange, die von der Göttin Hera geschickt wurde, um ihn zu töten.
Den Stein ins Rollen brachte Professor Christos Tsirogiannis, der die Staatsanwaltschaft in New York benachrichtigte, nachdem er 2014 ein seltenes sardisches Artefakt identifiziert hatte. Dies ließ sich bis zum kürzlich verurteilten Antiquitätenhändler Giacomo Medici zurückverfolgen. Es war der erste Schritt zu einer offiziellen Untersuchung, die mit Razzien bei Steinhardt begann und in den im Dezember des letzten Jahres beendeten Prozess mündete.
Das Niveau der Sammlung sei insgesamt sehr hoch, so der Professor. Dutzende der Artefakte erlangten bei Top-Auktionshäusern auf der ganzen Welt den Status „sehr seriös“ und erklären, wie Steinhardt es geschafft hat, eine Bewertung von über 70 Millionen US-Dollar anzuhäufen.
Weitere berühmte Kunstraube
Kunstdiebstahl, im englischen auch als Napping bekannt, gibt es, seitdem sich die Menschheit entschlossen hat, Kunst zu machen. Während illegal erworbene Sammlungen wie jene von Steinhardt normalerweise irgendwann ausgehoben werden, gibt es Tausende von wertvollen Stücken, die heute noch als verschollen gelten. Und dies vor allem, weil Kriminelle einige bemerkenswerte Netzwerke aufgebaut haben, durch die die Verkäufe der entwendeten Kunstwerke weltweit organisiert werden.
Die vielleicht wertvollste Sammlung, die jemals bei einem einzelnen Coup gestohlen wurden, umfasste 13 Stücke, die 1990 aus dem Isabella Stewart Gardner Museum in Boston, USA, geraubt wurden. Der geschätzte Wert dieses Kunstraubs belief sich auf umgerechnet 500 Millionen US-Dollar und unter anderen befand sich darunter auch das barocke Meisterwerk „das Konzert“ von Jan Vermeer, dessen Wert gegenwärtig auf bis zu 250 Millionen US-Dollar geschätzt wird. Der Verbleib des Gemäldes ist bis heute nicht bekannt und es bleibt damit das wertvollste verschollene Kunstwerk der Welt. Andere damals erbeutete Gemälde stammten unter anderem von Rembrandt, Degas und Manet. Das FBI geht noch heute davon aus, dass ein Verbrechersyndikat aus der organisierten Kriminalität hinter dem Raubüberfall steckt, und hat den Fall noch nicht zu den Akten gelegt. Noch im Jahr 2020 sagte die Kuratorin Ronni Baer: „Ich wünschte, ich könnte mich damit trösten, zu wissen, dass die Kunstgegenstände irgendwo in Sicherheit sind, aber ich kann es nicht sagen, ob sie tatsächlich noch existieren.“
Andere bedeutende gestohlene, und seit damals vermisste Meisterwerke sind die „Mohnblumen“ von Van Gogh, die seit 2010 unauffindbar sind, und dessen Wert mit 50 Millionen US-Dollar beziffert werden. Das gleiche Schicksal teilt Picassos Werl „Le Pigeon aux Petits Pois“, das doppelt so viel wert sein soll.
Ob diese Kunstwerke jemals gefunden werden, ist unklar, aber die Verurteilungen der beteiligten Täter, sofern diese noch am Leben sind, dürften weitaus härter ausfallen als die Strafe, die der Multimillionär Steinhardt ausgefasst hat.