Eldorado KaDeWe: Die brüchige Freiheit der Goldenen Zwanziger
Lesbische Liebe, Drogenkonsum und Morde mit dem Tortenheber: In ARD und Mediathek wird es mit der Historienserie „Eldorado KaDeWe“ opulent.
Als Harry Jandorf (Joel Basman) in der Serie Eldorado KaDeWe – Jetzt ist unsere Zeit nach dem Ersten Weltkrieg aus der Gefangenschaft nach Hause kommt, dauert es nicht lange, und der der Kaufhauskettenerbe schlachtet mehrere Männer mit einem Tortenheber ab, als sie reiche Kunden des KaDeWE ausrauben wollen. Harry ist depressiv, hat schlimme Flashbacks von grausamen Erlebnissen im Krieg, dröhnt sich mit Drogen zu und hat Probleme damit, dass sein Vater ihm nicht so recht traut als Geschäftsmann. Doch Harry freundet sich mit dem Chefbuchhalter Georg (Damian Thüne) an. Gemeinsam machen sie immer mehr Geld locker, um das KaDeWe in ein Luxuskaufhaus umzuwandeln.
Wir haben die Goldenen Zwanziger. Die Serie Eldorado KaDeWe zeigt aber nur nebenbei die wirtschaftlichen Ambitionen und Probleme der jüdischen Kaufhausbesitzerfamilie Jandorf. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die privaten Exzesse des Erben Harry und die Wünsche seiner Schwester Fritzi (Lia von Blarer). Beruflich darf sie im Auftrag ihres Bruders die Werbeabteilung des Kaufhauses leiten – jedoch unbezahlt. Privat ist die künslterisch hoch begabte Frizzi ebenfalls auf Wegen, die in der Weimarer Republik nicht freigegeben sind: Frizzi ist lesbisch und in die Verkäuferin Hedi (Valerie Stoll) verliebt.
Die zentrale Geschichte von Eldorado KaDeWe (ARD und Mediathek) sind die ungleiche Beziehung von Harry und Georg sowie die von Fritzi und Hedi: Erstere müssen aufpassen, dass Tricks nicht auffliegen, mit denen Sie den Umbau des KaDeWe möglich machen, letztere müssen ihre leidenschatliche Liebe füreinander verheimlichen. Wie beides in den Jahren bis 1933 funktioniert oder eventuell in die Brüche geht: davon handelt der Sechsteiler.
Regisseurin Julia von Heinz („Und morgen die ganze Welt“) hat mit Eldorado KaDeWe eine verdammt sinnliche Serie gedreht. Drogenkonsum, Sadomasosex, lesbische Liebe und Eskapaden im Nachtklub Eldorado sorgen für eine Grundstimmung des Rauschs, die die Bilder bestimmt. Eine zeitliche Einordnung der einzelnen Handlungsstränge klappt nur vage, doch das stört nicht weiter. Bildästhetisch bricht Julia von Heinz immer wieder mit dem Historischen. Zuerst denkt man noch bei einzelnen parkenden Autos in den Straßen, dass die Postproduktion digital noch nicht alles gerichtet hat, dann aber werden die Straßen voller und voller mit Autos und Menschen aus der heutigen Zeit, lediglich die Handelnden der Serie passen in ihre Zeit. Das alles ist schön anzuschauen, doch bringt es viel? Ist der Hinweis mit dem Zaunpfahl nötig, dass heute und damals eine ähnlich brüchige Gesellschaft um ihre Zukunft kämpft? Die Frage kann hintenangestellt werden: Das Aufbrechen der Kulisse der so schwelgerisch daherkommenden Serie sorgt beim Schauen für frische Luft und fördert das Durchatmen.
Eldorado KaDeWe ist sowas wie die sinnlichere Variante der Serie „Babylon Berlin“, auch haben die vielen Verbrechen, die hier geschehen, keine Ermittlungen zu Folge. Vor allem aber trägt die Serie der Tatsache Rechnung, dass Frauen nach dem Ersten Weltkrieg in einer Stadt wie Berlin die große Mehrheit in der Gesellschaft bildeten und sich deshalb für kurze Zeit Rechte erkämpfen konnten, die ihnen schon bald wieder genommen werden sollten. Auch davon handelt die Serie, die so gesehen trotz ihres vordergründig unpolitischen Auftretens auf den zweiten Blick extrem politisch agiert. Die Serie ist trotz einiger Schwächen – vor allem gestelzte Dialoge wie aus dem Soziologie-Seminar brechen die Sinnlichkeit immer wieder – mit Abstand das Juwel der diesjährigen TV-Weihnachtsproduktionen. jw