Element Of Crime / Sven Regener
Vom schrägen Postpunk über poetischen Chansonrock bis zu feuilletonistischen Weihen durchs Literarische Quartett: Element Of Crime und ihr Texter Sven Regener sind die Schöngeister des deutschen Pop. Ein Gespräch über Stars, Entwicklung und träge Literatur.
citymag: Sven Regener, wir sitzen hier im Hamburger Literaturhaus, wo vor einer Woche eine Diskussionsrunde zum Thema „Alles Pop?“ veranstaltet wurde. Bist du Pop?
Sven Regener: Wenn man das ganz objektiv sieht, dann sind wir natürlich Pop, wenn auch nicht als Single-Chartbreaker, aber eigentlich schon: weil es Musik für Jedermann ist, die keine Vorbedingungen stellt. In Bezug auf unser eigenes Verhalten eigentlich nicht: Zum Beispiel mit unserem gesamten Privatleben und dem ganzen Scheiß dafür einzustehen. Popstar-Darsteller zu sein als Vorbedingung zum Popstar, das existiert bei uns nicht.
citymag: „Psycho“ war ein Ausbruch aus der kammermusikalischen Nische, in der sich Element Of Crime in denr 90ern eingerichtet hatten. „Romantik“ ist da eher ein Rückschritt.
Regener: Ich weiß nicht, was Rückschritt oder Fortschritt in der Musik heißen sollen. Ich kenne Leute, die sagen, „Psycho“ erinnere an die englischsprachigen Platten, das wäre dann ja noch ein viel größerer Rückschritt. Es gibt eine Band, die hat einen bestimmten Stil. Wenn ich da einen Fortschrittsbegriff anlegen würde, dann müsste ich sagen, „Psycho“ war eine ganz reaktionäre Platte, weil die so ein Klangbild hatte wie „Try to be Mensch“. Wenn man sich die beiden aber hintereinander anhört, dann stimmt das überhaupt nicht. Die Klammer ist immer der Stil der Band.
citymag: Das heißt, es gibt keine Zeitachse, auf der man die CDs hört?
Regener: Es kommt bei einer Band nicht darauf an, sich vom Niederen zum Höheren zu entwickeln, sondern darauf, hinter den Sachen, die man schon gemacht hat, etwas Neues zu entdecken. Sonst ist diese Platte ja immer wie die anderen, weil da schon wieder Gitarren drauf sind. Oder Schlagzeug. Oder weil wir überhaupt noch die gleiche Band wie früher sind.
citymag: Die Bedeutung der Texte wirkt auf „Romantik“ zurückgedrängt. Waren alte Stücke wie „Mein dein Tag“ oder „So wie du“ bevölkert von schwer entschlüsselbaren Bildern, so sind die neuen Texte recht eindeutig: „Fallende Blätter“ ist ganz einfach ein trauriges Liebeslied.
Regener: „So wie du“ war ja auch erheblich alberner. Es gab eigentlich immer schon leicht entschlüsselbare Lieder. Die englischsprachigen Lieder waren, glaube ich, viel eindeutiger. „Geh doch hin“ oder „Vier Stunden vor Elbe 1“ – das sind doch auch sehr simple und direkte Lieder. „Blaulicht und Zwielicht“ ist dagegen sehr metaphernreich, da kann man sich was zu denken, aber man muss nicht. „Fallende Blätter“ ist schon ziemlich klar, da gebe ich dir recht. Ich glaube aber nicht, dass man besonders kryptisch sein muss, um gute Lieder zu schreiben. Ich glaube an Songs wie „Ain’t no Sunshine when she’s gone“.
citymag: Das ist auch keine Frage nach „gut“ oder „schlecht“.
Regener: Es ist nicht so, dass man sagen kann, früher war das wahnsinnig verschlüsselt, und heute ist es das gar nicht mehr. Aber die Beobachtung stimmt schon, dass die Lieder alle ziemlich direkt sind.
citymag: Ihr benutzt eher träge Medien wie Literatur oder Theater …
Regener: Was ist denn an Literatur träge?
citymag: Schon die Produktionsbedingungen. Es benötigt wahnsinnig viel Zeit, bis ein Buch geschrieben ist, bis es gedruckt ist, bis es in den Läden steht, bis es gelesen ist … Es gibt Medien, die sind schneller.
Regener: Welche?
citymag: Internet.
Regener: Moment, Moment. Ich habe eine ziemliche Erfahrung mit Internet, weil wir ja auch unsere blöde Homepage da haben, und ich sage dir: Schnell ist was anderes. Das will auch erst alles da reingestellt sein. So ein Buch ist dagegen in 14 Tagen gedruckt. Vor ein paar Jahren dachte man noch, elektronische Bücher sind das Nonplusultra. Und? Schmeiß es in die Badewanne: völlig für den Arsch, kaputt.
citymag: Wenn mir die Printausgabe in die Badewanne fällt, ist das auch nicht schön.
Regener: Gut, dann schmeiß es auf den Fußboden, dann ist dein Laptop kaputt, aber das Buch kannst du immer noch lesen.
Interview: Falk Schreiber