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Endlich als Taschenbuch: „Baba Dunjas letzte Liebe“

Leben in der Sperrzone: Alina Bronskys Tschernobyl-Roman

In Tschernowo rufen die Vögel lauter als überall sonst, und die Spinnen weben verrückte, kontraproduktive Netze: Baba Dunja ist in ihr fiktives Heimatdorf nahe Tschernobyl zurückgekehrt, und sie ist nicht allein, mit ihr leben etwa 200 Menschen in der Todeszone. Die Strahlung ist Baba Dunja egal, sie trinkt das Wasser aus dem Brunnen und baut hier ihr Gemüse an – schließlich ist sie „keine 82 mehr“ und wird sowieso bald sterben. Sie kocht und putzt das Gemüse, schreibt Briefe an ihre Kinder und Kindeskinder, von Zeit zu Zeit kommen Journalisten und Wissenschaftler vorbei, und mitunter erscheint Baba Dunja auch ihr verstorbener Ehemann. Erst als ein Vater mit seiner gesunden kleinen Tochter in Tschernowo auftaucht, wird die Idylle gestört, denn damit sind die Dorfbewohner nicht einverstanden … „Baba Dunjas letzte Liebe“ mag zunächst etwas plump wirken, was vor allem an der einfachen Sprache der Heldin liegt. Doch es hat einen guten Grund, warum Bronsky ihre Antiheldin zur Heldin stilisiert: Gerade weil sie ihren Frieden mit sich und ihrem Leben gemacht hat, kann sie mit trockenem Humor auf die Welt blicken und ohne großes Drama bilanzieren. In ihrer Unabhängigkeit ist Baba Dunja die Gegenspielerin von Jugendwahn und Statusdenken, und so unspektakulär der Roman daherkommt, beschäftigt er sich doch ganz intensiv mit einer Frage, die momentan vielleicht dringlicher ist als je zuvor: Es ist die Frage, wie wir leben wollen. cs

Alina Bronsky Baba Dunjas letzte Liebe

Kiepenheuer & Witsch, 2017, 160 S., 8 Euro

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