Renaissance des Fehlers: Erobique im Interview zu „No.2“
Carsten Meyer alias Erobique liebt das Scheitern – und denkt trotzdem über einen KI-Doppelgänger nach.
Erobique im Interview zu „No.2“: „Die Idee des Scheiterns auf der Bühne birgt eine wahnsinnige Kraft in sich“
Carsten, 25 Jahre sind seit deinem Debütalbum vergangen. Hast du dich für „No.2“ nochmals mit deinem Mittzwanziger-Ich auseinandergesetzt?
Carsten Meyer: Natürlich hab’ ich das Album nochmal gehört – und fand’s irgendwie süß. Aber die Idee, dass man Musik als Alternative gegen den grauen Alltag anbieten will, die ist immer noch genauso präsent wie früher.
Du hast auf deinem Album den Song „Ravedave“: Sieht man dich denn noch auf Raves?
Meyer: Für einen richtigen Rave muss man Nächte lang aufbleiben – das ist schon okay. Trotzdem lässt sich das Gefühl des Raves, das Losgelöstsein von Zeit und Raum auf’m Dancefloor komprimieren – ein Kompressions-Rave. (lacht) Ich stell’ mir da einen ganz gemütlichen Sonntagnachmittagsrave vor: unter ’ner Autobahnbrücke, mit Kindern, Hunden – und einer schmeißt den Grill an.
Deine Songs sind im besten Sinne selbstreferenziell und öffnen kleine Welten mit einer eigenen musikalischen Logik. Trotzdem wirkt alles stets wie eine Momentaufnahme, fast skizzenhaft. Wie viel Konzept steckt dahinter?
Meyer: Das ist eine musikalische Ausdruckswelt, in der ich mich seit der Kindheit bewege. Ich mag konzeptuelle Kunst sehr gerne, trotzdem starte ich im Unterbewusstsein. Das Ergebnis gebe ich mir wiederum zur Interpretation und Deutung frei. Dann entstehen Konzepte und Referenzen, und so versuche ich, mich immer wieder zu überraschen.
Du scheinst eine tiefe Lust am Improvisierten, am Unperfekten in dir zu tragen.
Meyer: Da berufe ich mich gerne auf Knarf Rellöm aus Hamburg, der den tollen Songtitel „Fehler ist King“ hat. Gestern habe ich irgendwo sinngemäß gelesen, dass nur im Fehler selbst das Leben liegt. Gerade die Idee des Scheiterns auf der Bühne birgt eine wahnsinnige Kraft in sich. Immerhin sind wir auf dem besten Wege, dass unsere Kunst bald von Robotern gemacht wird: Da wird’s eine Renaissance des Fehlers geben.
Ein KI-generiertes Erobique-Album ist also unvorstellbar.
Meyer: Vor ein paar Jahren, während der Lockdowns, hatte ich die glorreiche Idee, mich selbst in eine KI zu verwandeln, diese mit meiner Musik zu füttern und sie dann als App aufs Handy zu laden. Vielleicht mach ich’s noch: den Taschen-Erobique. (lacht)