Fabian Hischmann: Das Umgehen der Orte
„Das Umgehen der Orte“ ist ein sensibler Episodenroman über Freundschaft, mit dem Fabian Hischmann der düsteren Gegenwart trotzt.
Mit einem sensiblen Episodenroman über Freundschaft trotz Fabian Hischmann der düsteren Gegenwart: Selbst wenn das mit der Liebe doch nicht klappen sollte, haben wir immer noch George Clooney.
Fabian, mit „Das Umgehen der Orte“ veröffentlichst du einen Episodenroman, in dem auch Max Flieger, der Protagonist aus deinem Debüt, wieder auftaucht. Musste „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ noch auserzählt werden?
Fabian Hischmann: Das Ende ist in meinen Augen häufig missverstanden worden, weil es als Happyend interpretiert wurde. Für mich stimmte nicht, dass alles schön ist, und es gab ja dieses Kapitel null, in dem angelegt war, dass noch etwas passiert. Ich wusste, dass Max noch mal vorkommen wird, aber es war nicht von Anfang an klar, dass ich ihn gleich in diesen Roman setze. Er war nicht der Ausgangspunkt.
Klar war aber, dass du die Form der Short Cuts für dein zweites Buch wolltest?
Hischmann: Das stand fest, denn ich finde die Erzählform einfach unglaublich toll, die in „Short Cuts“, „Magnolia“ oder auch „Babel“ gewählt wird. Okay, das sind jetzt alles Filme, aber auch „Winesburg, Ohio“ von Sherwood Anderson und Alfred Anderschs „Sansibar oder der letzte Grund“ liebe ich sehr – wobei ich mir jetzt nicht anmaßen will, mein Buch mit diesen Beispielen zu vergleichen. Ich mag es, wenn sich am Ende alles in ein großes Ganzes einfügt. Bei mir ist es vielleicht diese Orientierungslosigkeit, mit der sich all meine Protagonisten rumschlagen, und es gibt als verbindendes Element ein Buch, das immer wieder auftaucht.
Mit diesem fiktiven Bestseller „Muränen“ und speziell mit der Episode, die während eines Literaturwettbewerbs am Zürichsee spielt, hast du auch deinen Ärger über den Literaturbetrieb verarbeitet, oder? Nachdem dein Debüt für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde, musstest du ja vom Feuilleton sehr heftige Kritik einstecken.
Hischmann: Das hat mich damals schon genervt und mitgenommen, und ich fühlte mich nicht immer gut verstanden. Klar, meine Bücher muss nicht jeder gut finden, nur wurde mir da einfach ein bisschen zu viel mit dem Literaturinstitut argumentiert. Aber das zweite Buch soll keine Rache sein. Bevor ich mich selbst so ernst nehme, mache ich mich lieber über mich selbst lustig.
Hat sich deine Herangehensweise an das neue Buch durch die Kritik verändert?
Hischmann: Einerseits habe ich meine Fähigkeiten als Autor hinterfragt, andererseits finde ich es total blöd, wenn ich mich von außen so sehr verunsichern lasse. Deswegen stand dann ziemlich bald der Entschluss: Jetzt erst recht, ich schreibe konsequent so weiter, wie ich angefangen habe. Lieber habe ich einen Nebenjob, als dass ich mich den Forderungen des Literaturbetriebs zu sehr anpasse.
In den Episoden geht es um die verschiedenen Facetten von Freundschaft, doch du erweiterst dein Spektrum, indem die Figuren nicht mehr alle Anfang 20 sind.
Hischmann: Das war meine große Herausforderung: Gelingen mir die anderen Perspektiven? Kann ich aus der Sicht des kleinen Jungen oder einer alten Frau schreiben? Ich finde mich selbst auch gar nicht so interessant, da kann und will ich in meinen Büchern nicht wirklich viel über mich erzählen.
Mit der Geschichte von Niklas und Lennart bietest du inmitten all der Orientierungslosigkeit sogar eine glückliche Liebesbeziehung an.
Hischmann: Genau, da funktioniert es. Das ist meine romantische Utopie – die ich aber auch unbedingt haben möchte. Und da habe ich unbewusst vielleicht doch auf gewisse Kritiken reagiert: Wenn manche Leute gedacht haben, ich interessiere mich nicht für queere Lebenswelten oder traue mich nicht, über Homosexualität zu schreiben, dann ist das völliger Bullshit.
Dann hast du die Handlung wegen der Utopie bis ins Jahr 2018 ausgeweitet?
Hischmann: Das hatte zunächst einen ganz pragmatischen Grund: Tim, der kleine Junge, dem im „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ die Nase gebrochen wird, sollte eine eigene Geschichte bekommen, und in der sollte er zumindest jugendlich sein. Und warum nicht den momentan allgegenwärtigen Dystopien etwas entgegensetzen? Okay, bei mir sitzt die AfD schon im Landtag von Schleswig-Holstein – das sollte natürlich besser nicht passieren. Und Nick Cave darf auf keinen Fall auch noch verschwinden. Aber in meinem Buch ist immerhin George Clooney der Präsident der USA.
Interview: Carsten Schrader
Fabian Hischmann Das Umgehen der Orte
Berlin Verlag, 2017
208 S., 18 Euro