Fever Ray: Plunge
Fuck and win: Karin Dreijer Andersson alias Fever Ray erschafft auf ihrem zweiten Album dissonante Utopien zwischen Leid und Lust.
„I wanna love you but you’re not making it easy“, lautet die erste Zeile auf dem quasi über Nacht veröffentlichten zweiten Album, das Karin Dreijer Andersson unter ihrem Alias Fever Ray veröffentlichte. Denselben Satz möchte man später an die Platte zurückgeben – man würde „Plunge“ gern so innig lieben wie das großartige Debüt von 2009, doch entzieht sich einem das Album zunächst, wirkt sperrig, widerspenstig, noch unnahbarer, als es bei der enigmatischen Künstlerin ohnehin der Fall ist. Das atmosphärische Mäandern, der dichte Sog der Vorgängerplatte weicht einem Klangbild, das mehr mit ihrer Band The Knife gemein hat, dabei aber selten so anschmiegsam daherkommt wie die catchy Vorabsingle „To the Moon and back“ mit ihrem großartigen Neon-Fetischvideo. Man muss sich von Industrialsounds attackieren lassen, von Synthies, die aufheulen wie Sirenen, von nervösen Beats und abrupten Richtungswechseln, weirden Samples und dissonanten Sounds, und es dauert seine Zeit, bis man all diese Bauteile und Bruchstücke zu den großartigen Songs zusammendenken kann, die sich dahinter verbergen – und einem fortan nicht mehr von der Seite weichen. Der Wechsel von der Sphären- hin zur Körpermusik könnte folgerichtiger kaum sein: Noch immer bildhaft und interpretationsoffen, aber doch zum Teil direkt wie nie besingt Andersson Sexualität und die (Un)Möglichkeit von Beziehungen in einer Welt, deren maroder Zustand tief in die musikalische Unordnung von „Plunge“ eingespeist ist. „Every time we fuck we win“, proklamiert Andersson zum Beispiel offensiv und utopienfreudig, denn: „This country makes it hard to fuck“. „Plunge“ setzt das Politische, das Private und das Physische so fordernd wie fragend in Verbindung, und am Ende ist es vielleicht noch immer nicht Liebe, die einen an die Platte bindet, sondern vielmehr Lust – wahrscheinlich wäre das Andersson ohnehin viel lieber. sb