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Finn Ronsdorf: Der Moment, in dem Kultur mein Leben verändert hat

Finn Ronsdorf
Finn Ronsdorf (Foto: Vincent Wechselberger)

Und dann war alles anders: Wir haben mit Finn Ronsdorf über den Moment gesprochen, in dem Kultur sein Leben verändert hat. Von Justin Bieber bis Novalis.

Aufgewachsen bin ich in Oberkirch im Schwarzwald, wo es Kultur wie Theater, Museen oder Konzerte nicht gibt. Durch meine Eltern habe ich aber trotzdem eine ziemliche Kulturfülle mitbekommen: Als Geisteswissenschaftler hat mein Vater eine Bibliothek mit Sachbüchern und Romanen, und da er auch Teilzeitmusiker gewesen ist, war seine Plattensammlung riesig. Meine Mutter arbeitet als Kunstlehrerin, wodurch sie uns im Urlaub oder auf Städtetrips ständig in Museen geschleift hat. Und ich selbst habe auch sehr früh angefangen, alles aufzusaugen: Musikfernsehen, Filme, Zeitschriften. Relativ früh habe ich mit dem Tanzen angefangen, ich habe Musik gemacht und gemalt. Mit 19 bin ich dann nach Berlin gezogen, und rückblickend ist mir klar geworden, dass es so viele Menschen aus dem Kulturbetrieb gegeben hat, die mich beeinflusst haben. Fortlaufend haben sich meine ästhetischen Vorlieben verändert: Popkultur war irgendwie immer da, aber dann gab es auch Phasen, in denen Joseph Beuys oder Philosophen wie Heraklit und Platon dominant gewesen sind. Daraus ist für mich gefolgt, dass ich immer noch ich bin, und es stets nur Umschichtungen gegeben hat – egal, ob nun durch Justin Bieber oder Novalis.

„Das Schönste und Tiefste an Kultur ist, dass man sie auch rausschmeißen kann.“

Was man ist, wie man sich identifiziert oder wie man sich beschreibt, das ist kultiviert. Man ist Produkt der Kultur: Was reinkommt, kommt raus. Ich bin Kunstwerk unserer Gesellschaft, und gleichzeitig ist die Gesellschaft unser Kunstwerk. Eigentlich ist Kultur doch nur Konditionierung – und deswegen gibt es auch nicht wirklich eine Methode, um zu messen, was besser und was schlechter ist. Interessant wird es, wenn man die Kultivierung einfach mal kurz rausschmeißt. Was dann übrig bleibt, ist: nichts. Ich bestehe nur aus Kultur. Aber dieses Nichts ist auch wunderschön, unberührt und auf eine Art auch zeitlos. Für mich folgt daraus, dass das Schönste und Tiefste an der Kultur eigentlich ist, dass man sie auch rausschmeißen kann. In Berlin habe ich ziemlich viel rausgeschmissen, um dann für eine Sekunde mal zu sehen, wie die Dinge eigentlich sind. Gleich danach spielt Kultur im Leben natürlich trotzdem wieder eine Rolle, aber auf eine schönere Art und Weise. Man weiß, sie ist nicht alles, sondern kratzt so ein bisschen an der Oberfläche.

„From Mind we arise“ von Finn Ronsdorf: Out now

Auf seinem Debütalbum „From Mind we arise“ setzt sich der in Berlin lebende Singer/Songwriter, Maler und Performance-Künstler Finn Ronsdorf mit der transformativen Kraft der Selbstreflexion auseinander. Während der 24-Jährige genremäßig keine Begrenzungen akzeptiert und Pop-Epen neben Blues, Soulballade, Indierock, Schlaflied und Musiktheater stellt, wurde seine mal zart-zerbrechliche, mal kraftvoll-brutale Stimme bereits völlig zu Recht mit den ganz Großen verglichen: Jeff Buckley, Otis Redding und Nina Simone.

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