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Flock Of Dimes über „The Life you save“: Helfen und helfen hassen

Flock Of Dimes
(Foto: Elizabeth Weinberg)

Mit ihrem dritten Soloalbum als Flock Of Dimes leistet Jenn Wasner eine Pionierarbeit. Und genau deshalb ist die Schönheit von „The Life you save“ kaum auszuhalten.

Flock Of Dimes steht für das ganz Private. In den nun fast 20 Jahren ihrer Karriere hat Jenn Wasner in so einigen Projekten mitgemischt: Vor allem ist da natürlich das gemeinsam mit ihrem Jugendfreund Andy Stack betriebene Indieduo Wye Oak, das es auf mittlerweile sechs Alben bringt. Mit Jon Ehrens war sie Dungeonesse, sie hat mit Sylvan Esso gearbeitet und zuletzt bei Bon Iver als Gitarristin ausgeholfen. Doch wenn es so richtig persönlich wird, kommt Wasners Soloprojekt Flock Of Dimes ins Spiel, mit dem sie zuletzt im Jahr 2021 auf „Head of Roses“ eine Trennung verarbeitet hat.

Der dritte Alleingang geht allerdings noch einen Schritt weiter: „Meine bisherigen Alben waren eine Zusammenfassung von Dingen, die ich bereits durchlebt hatte – Erfahrungen, die ich beobachtet und reflektiert hatte und über die ich dann aus einer gewissen Distanz berichtet habe“, sagt sie. „The Life you save“ ist anders. „Es ist ein Versuch, aus dem Inneren eines fortlaufenden und inneren Prozesses zu berichten, aus dem ich wahrscheinlich nie ganz herauskommen werde, solange ich lebe: mein Kampf innerhalb der Zyklen von Sucht und Co-Abhängigkeit.“

Die hässliche Seite des Helfens

Während Süchte natürlich zu den beliebtesten Themen zählen, wird Co-Abhängigkeit in Songs gern ausgespart – und Wasner geht da nun so tief rein wie vermutlich kein:e Musiker:in vor ihr. Die 39-Jährige, die durch ihr Elternhaus seit früher Kindheit mit Suchtproblemen konfrontiert worden ist, definiert sich selbst als Helferin. Das ist gut, solange es um Liebe, Fürsorge und Unterstützung geht. „Aber es gibt auch eine hässlichere Seite, die schwerer zu erkennen ist – das Ego, der Stolz, der Glaube, dass man besser, stärker und irgendwie würdiger ist als alle anderen“, schränkt Wasner ein. „Dass man durch den Versuch, das Verhalten anderer zu kontrollieren, irgendwie ein Gefühl der Sicherheit für sich selbst erlangen kann.“

Wenn Wasner auf „The Life you save“ mit diesen Dämonen ringt, rückt die Musik in den Hintergrund. Hat der Vorgänger auch immer wieder zur Tanzfläche geschielt, dominieren nun sanfte Elektronik und akustische Instrumente. Die Folk-Grundierung arbeitet Wasners spektakulären Gesangsmelodien und den entlarvenden Texten zu: Psychedelische Pedal-Steel-Sounds intensivieren die Selbstanklage von „Keep me in the Dark“, wenn sie bei „Instead of calling“ die Zeile „And I cried for the loss“ wiederholt, schiebt sich eine Geige vor die Akustikgitarre, und das spartanische „I think I’m God“ könnte auch ein Beth-Gibbons-Klassiker sein. Ganz reduziert ist auch „River in my Arms“, das absolute Highlight der Platte: „And I can’t tell you it’s alright/But it’s alright with me/I can only hold you/Like a tree holds to its leaves“. So schmerzhaft und doch so schön.

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