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Ist das neue Fotografiska Berlin ein Museum oder ein Klub?

Fotografiska Berlin
Yousef Hammoudah, Direktor des Fotografiska Berlin (Foto: © Fotografiska Berlin)

Yousef Hammoudah ist Direktor des neuen Fotografiska in Berlin, eines zeitgenössischen Museums für Fotografie, Kunst und Kultur. Wir wollen von ihm wissen, was die neue Institution ausmacht.

Herr Hammoudah, welchen Platz soll das Fotografiska Berlin im musealen Raum Berlins einnehmen? 

Yousef Hammoudah: Wir streben danach, eine moderne, offene und inklusive Institution zu sein, die das traditionelle Museumsangebot der Stadt ergänzt. Während Museen oft als Bewahrer der Vergangenheit gelten, setzen wir mit unserem „Zeitgenössischen Museum für Fotografie, Kunst und Kultur“ den Fokus auf die gegenwärtige visuelle Kunst. Unsere Ausstellungswände sind nicht klassisch weiß, unser junges und diverses Team, unsere engagierten Kuratorinnen fokussieren sich auf aktuelle Themen und kooperieren mit lebenden Künstlerinnen aller Karrierestufen. Unser umfangreiches Kulturprogramm, von künstlerspezifischen Angeboten bis zu Konzerten und Filmscreenings, sowie ein vielseitiges kulinarisches Angebot, gepaart mit unseren langen Öffnungszeiten von 10 bis 23 Uhr, ermöglicht es uns, ein breites Publikum zu erreichen.

Das Fotografiska hat bis 23 Uhr geöffnet, man kann sich mit Drink die Ausstellungen anschauen oder ab demnächst in die Rooftop-Bar gehen. So verschmelzen Kunst und Clubbing, es entsteht quasi ein Veranstaltungszentrum – ein nötiger Trend, um Kunst in die Zukunft zu führen? 
Unsere verlängerten Öffnungszeiten und die Kombination von Kunst mit innovativen gastronomischen Konzepten spiegeln den modernen Lebensstil und die Präferenzen unseres Publikums wider. Oftmals neigen wir dazu, Museen in fremden Städten zu besuchen, vergessen dabei aber die reiche Museumslandschaft Berlins. Unsere Initiative zielt darauf ab, das Berliner Publikum, das die Symbiose von Kunst, Kultur, Clubbing und sozialer Interaktion schätzt, wieder stärker für die lokale Kunstszene zu begeistern. In einer Stadt, in der der qualitativ hochwertige Diskurs so geschätzt wird, suchen die Menschen nicht nur Inspiration, sondern auch sozialen Austausch und Bildung. Mit diesem Verständnis bieten wir tiefe Einblicke in unsere Ausstellungsthemen – ob durch mehrsprachige Texte, Broschüren, begleitende Veranstaltungen oder unsere Social Media Inhalte.  Es geht uns nicht nur darum, Kunst in die Zukunft zu tragen, sondern sie in den Alltag der Menschen zu integrieren, sie zugänglicher und relevanter für das heutige Publikum zu machen.

Fotografiska Berlin: Die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten

Es geht auch darum, das jüngere, nicht so museumsaffine Publikum zu erreichen. Kann an echtes Interesse für die Kunst durch Öffnungszeiten und, ich sage mal, Rahmenprogramm erreicht werden? Oder ist es für Sie auch okay, wenn die Leute einfach kommen, weil der Drink so gut ist? 
Wir möchten, dass unser Museum als ein einladender Ort wahrgenommen wird. Wenn sich Leute bei uns in der Bar treffen und dann die Lust verspüren, die Ausstellungen zu erkunden, ist das ein großer Erfolg für uns. Unsere flexiblen Angebote könnten besonders jüngere Leute oder Nachteulen ansprechen. Man kann einfach an die Bar kommen und einen Drink genießen, ohne Eintritt zu zahlen, oder sich spontan entscheiden, die Kunst anzuschauen. Ein gutes Beispiel ist eine Dame, die täglich bei uns in der Bakery eine Zimtschnecke kauft. Vor kurzem hat sie sich entschieden, auch das Museum zu besuchen. Das zeigt, wie einfach und natürlich der Zugang zur Kunst sein kann, wenn die Umgebung stimmt.

Ihre drei Eröffnungsausstellungen drehen sich um Rassismus, race, Nackheit, Gender, Identität und Queerness.  Ist Zeitgeist Pflicht? Wie eng ziehen Sie den Rahmen für die Ausrichtung der Ausstellungen?
Unser Ziel ist es, relevante und ansprechende Ausstellungen zu präsentieren, die den Dialog fördern und zur Reflexion anregen. Die Themen Rassismus, Nacktheit, Gender, Identität und Queerness sind bedeutsam und reflektieren die Vielfalt und die Herausforderungen unserer Gesellschaft. Die Kuratorin Marina Paulenka hat selbst Gender Studies studiert und ist von Haus aus interessiert an diesen Themen. Doch die Ausrichtung der Ausstellungen ist nicht strikt festgelegt. Wir streben danach, ein breites Spektrum an Perspektiven zu beleuchten, um ein vielseitiges und bereicherndes Erlebnis für unsere Besucher zu schaffen. Der Zeitgeist prägt unsere Ausstellungen, doch ist er nicht zwingend Voraussetzung. Vielmehr geht es uns darum, über den Tellerrand zu blicken und sowohl zeitgenössische als auch zeitlose Themen zu erforschen. Durch unsere Ausstellungen möchten wir nicht nur die aktuelle Diskussion widerspiegeln, sondern auch neue Gespräche anstoßen und die Besucher dazu ermutigen, die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.

Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Untertitel: „Von der Kunst, ein erfülltes Leben zu führen“. Ist es nicht vielmehr die Kunst, die das Leben erfüllt? 

Das ist eine wirklich interessante Perspektive, danke für diese schöne Frage. Während der Untertitel meines Buchs „Von der Kunst, ein erfülltes Leben zu führen“ die Kunst als Fähigkeit oder Technik betont, um ein zufriedenes Leben zu gestalten, bringt Ihre Interpretation die essenzielle Rolle der Kunst im Leben zum Ausdruck. In Wirklichkeit gehen beide Ansichten Hand in Hand: Kunst kann unser Leben bereichern und uns tiefgreifende Erfahrungen und Erkenntnisse bieten, während gleichzeitig das Streben nach einem erfüllten Leben eine Kunst für sich ist. Beides spiegelt die wechselseitige Beziehung zwischen Kunst und Leben wider.

Fotografiska Berlin
Das Fotografiska Berlin Foto: © HEJM
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