„Hits to the Head“ von Franz Ferdinand: Franz Frantastisch
Ihr stilprägendes Debütalbum ist nun volljährig, und zur Feier spendieren Franz Ferdinand eine Werkschau samt Tour. Zeit für eine Zwischenbilanz mit den beiden Gründungsmitgliedern Alex Kapranos und Bob Hardy, bei der es natürlich um Kunst und Stierhoden, Lady Gaga sowie alte und neue Weggefährten geht.
Alex, Bob, nun gibt es das Best-of-Album „Hits to the Head“ und die Geschichte von Franz Ferdinand hat vor etwa 20 Jahren begonnen, als ihr beide in einem Restaurant in Glasgow gejobbt und nach der Schicht in der Küche darüber fantasiert habt, wie es wohl wäre, in einer extrem erfolgreichen Band zu spielen. Wenn ihr heute zum Essen einladen würdet, welches Gericht könnte Franz Ferdinand am besten repräsentieren?
Robert Hardy: Da ich vegan bin, würde ich zumindest auf ein fleischloses Essen bestehen.
Alex Kapranos: Klar, es wird auf jeden Fall vegan gekocht. Ich mag sehr würziges Essen – und das passt meiner Meinung nach auch sehr gut zu Franz Ferdinand. Wenn sich die Band für Aufnahmen bei mir trifft, mache ich oft ein Curry. Und wenn das Essen die komplette Bandgeschichte repräsentieren soll, wäre ich mit den Gewürzen besonders experimentierfreudig.
Puh, ich bin erleichtert, dass du dich nicht für Stierhoden entscheidest. Ich erinnere mich da an das Buch „Sound Bites“, in dem deine Kochkolumnen für den Guardian versammelt sind …
Kapranos: Bäh, nein, die sind absolut widerlich. Eine Exfreundin von mir hat immer über den Geschmack geklagt, den man beim Oralsex im Mund hat. Sie hat ihn mit angelaufen Kupfermünzen verglichen – und daran musste ich denken, als ich Stierhoden probiert habe. Es gibt gewisse Dinge im Leben, die man nicht ausprobieren muss – und Stierhoden gehören definitiv dazu. (lacht) Und wie gesagt, Bob ist ja vegan.
Gibt es zum Essen denn Wein oder Bier?
Kapranos: Schottland ist ja bekannt für seinen guten Weine – aber zum Curry passt das irgendwie nicht. Vielleicht lieber Cider. Ich habe ein paar Apfelbäume im Garten, und letztes Jahr war die Ernte verdammt gut. Bestimmt stehen noch 90 Liter im Keller, das sollte für einen guten Abend reichen.
Angetrunken wäre diese Frage wesentlich spannender, aber egal: Definiert doch mal ganz spontan in einem oder zwei Sätzen, was Erfolg für euch bedeutet.
Hardy: Erfolg ist eine Beschäftigung, bei der man bei sich ist.
Kapranos: Ich bin erfolgreich, wenn ich für mich das Bestmögliche definiere – und dann das noch übertreffen kann.
Eine schwierige Definition, wenn man bedenkt, wie wahnsinnig erfolgreich ihr aus dem Stand mit eurem Debütalbum im Jahr 2004 gewesen seid. Sind denn heute überhaupt noch Träume übrig, wenn man bedenkt, dass all das, was ihr damals in dem Restaurant herbeifantasiert habt, in nur wenigen Monaten in Erfüllung gegangen ist?
Kapranos: Na klar, das ist ja ein lebenslanger Traum. Entscheidend sind nicht Verkaufszahlen oder Hallengrößen, sondern die bestmögliche Ausdrucksform in der jeweiligen Zeit.
Hardy: Es wäre frustrierend, wenn Franz Ferdinand auf ewig mit dem Sound von 2004 oder dem einer wie auch immer definierten Britpop-Welle identifiziert werden.
„Für mich sind immer die aktuellen Songs die beste Visitenkarte. Auf „Hits to the Head“ gibt es ja auch zwei neue Stücke – und „Curious“ transportiert all das, was Franz Ferdinand ausmacht, ins Jetzt.“ (Robert Hardy)
Aber wenn ihr euch für einen Song entscheiden müsstet, der Franz Ferdinand am besten repräsentiert – dann würdet ihr doch „Take me out“ wählen, oder?
Kapranos: Nö, das ist der Song, den die meisten kennen, aber ich würde mich eher für „Outsiders“ von unserem zweiten Album entscheiden. Ich liebe diesen Song einfach und spiele ihn noch immer sehr gern live. Das ist eine ungewöhnliche Wahl, aber wir haben ihn natürlich auch für unser Best-of-Album ausgewählt, und ich weiß, dass viele unserer Fans sehr viel mit ihm verbinden.
Hardy: Für mich sind immer die aktuellen Songs die beste Visitenkarte. Auf „Hits to the Head“ gibt es ja auch zwei neue Stücke – und „Curious“ transportiert all das, was Franz Ferdinand ausmacht, ins Jetzt.
Ihr habt den Mercury Prize und mehrere Brit Awards gewonnen, mehr als zehn Millionen Alben verkauft und auf den größten Festivals gespielt – doch der spektakulärste Punkt in eurer Erfolgsgeschichte ist ja meiner Meinung nach, dass sich Lady Gaga auf einem eurer Konzerte beim Stagediving die Nase gebrochen hat. Erinnert ihr euch noch an diese Show im Roseland Ballroom in New York?
Kapranos: Ich erinnere mich an das Konzert, aber nicht an den Vorfall. Damals war sie ja noch nicht Lady Gaga und erst 14 oder 15 Jahre alt. Ich habe sie mal bei einer Celine-Show von Hedi Slimane getroffen. Aber da hat sie neben Karl Lagerfeld gesessen, und ich hatte keine Gelegenheit, mich mit ihr zu unterhalten. Schade, denn ich finde ihre Musik cool und bewundere ihr Talent, richtige Banger zu schreiben.
Auf der Tour zum ersten Album gab es auch das legendäre Konzert in Paris, wo es nach der Show zu einer Band-Schlägerei gekommen ist …
Kapranos: Im Nachhinein ist es absurd und lustig. Es waren unglaublich viele Musikjournalisten da, Jarvis Cocker wollte uns für einen „Harry Potter“-Film engagieren – und wir gehen aufeinander los. Aber es war durchaus auch ein kritischer Moment, an dem alles hätte kippen können.
Wie oft stand es in den vergangenen 20 Jahren ernsthaft zur Disposition, alles hinzuschmeißen?
Kapranos: Als Künstler muss man sich doch permanent diese Fragen stellen: Mache ich das alles noch aus den richtigen Gründen? Fühlt es sich gut an? Unser Gitarrist Nick und Schlagzeuger Paul haben diese Fragen für sich an bestimmten Punkten mit Nein beantwortet. Für uns war das sehr schmerzhaft, und ich habe lange gebraucht, damit klarzukommen. Aber natürlich verstehe ich das, und es ist eine sehr wichtige Aufrichtigkeit.
„Carl Barât ist wirklich ein sympathischer Typ – aber sind die Libertines noch kreativ? Sie spielen Shows, die sicher auch sehr gut sind, aber sie verwalten nur ihre alten Songs. Da ist eher Paul McCartney ein Vorbild, der bis heute spannende Alben veröffentlicht und sich weiterentwickelt.“ (Alex Kapranos)
Wenn ich all die Bands denke, die mit euch angefangen haben und damals gern als „British Invasion“ bezeichnet wurden, dann gibt es die meisten längst nicht mehr. Ihr aber macht jetzt auch mit spannenden, neuen Bandmitgliedern weiter und erweitert euren Sound. Was macht den Unterschied aus?
Kapranos: Ich habe nie große Parallelen zu Bands wie Razorlight und den Libertines gesehen. Die kamen aus ganz anderen Szenen und haben einfach zur selben Zeit Platten veröffentlicht. Carl Barât ist wirklich ein sympathischer Typ – aber sind die Libertines noch kreativ? Sie spielen Shows, die sicher auch sehr gut sind, aber sie verwalten nur ihre alten Songs. Da ist eher Paul McCartney ein Vorbild, der bis heute spannende Alben veröffentlicht und sich weiterentwickelt.
Hat es geholfen, dass so viele Bands den Sound von Franz Ferdinand kopiert haben, und ihr euch quasi verändern musstet?
Kapranos: Als wir unser „Tonight“-Album gemacht haben, war ich davon extrem genervt, aber tatsächlich hat das eine wichtige Selbstreflexion und Rückbesinnung in Gang gesetzt. Es ist immer schlecht, wenn man sich an dem Sound orientiert, der dem Zeitgeist entspricht. Als wir angefangen haben, war Gitarrenmusik definitiv nicht Mainstream. Wir konnten nicht gut mit unseren Instrumenten umgehen, aber wir wollten etwas ausdrücken, und mehr als irgendwelche Bands wurden wir durch Kunst inspiriert. Der Konstruktivismus hat den Sound von Franz Ferdinand geprägt. Ansonsten hätte unser Debüt vielleicht nach Coldplay geklungen. Und das ist auch die Marschrichtung für die Zukunft: Es geht darum, außergewöhnliche Referenzen zu finden und so Musik neu zu denken.