Zum Inhalt springen

Gallert Reiter: Glaube Liebe Tod

Seit mehr als 20 Jahren arbeiten Peter Gallert und Jörg Reiter gemeinsam an Drehbüchern fürs Fernsehen. Doch um endlich frei zu sein, starten sie jetzt ihre Krimiserie um den Duisburger Polizeipfarrer Martin Bauer.

Der Streit um ein paar Wörter war der Beginn ihrer Freundschaft. „Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, worum es ging. Aber es wurde laut“, sagt Peter Gallert. Doch sein Kollege Jörg Reiter hilft ihm mit den Details auf die Sprünge: „Es ging um einen Nebensatz in einem Drehbuch, den du unbedingt im Dialog haben wolltest.“ Damals war Reiter als Scripteditor einer Daily Soap für die Dialoge zuständig, während Gallert als Storyeditor an den größeren Zusammenhängen der Geschichten arbeitete. Nach dem Krach sind die beiden Kölner zusammen ein Bier trinken gegangen – und bilden seit diesem Tag ein unschlagbares Team.

Es folgten Drehbücher für die verschiedensten TV-Formate von Krimi bis Krankenhaus, gemeinsam haben sie Dutzende Serienkonzepte entwickelt. Doch über die Jahre wuchs der Frust. „Die Stoffe, die uns am Herzen lagen, waren den TV-Entscheidern immer zu gewagt, zu neu, zu irgendwas“, kommentiert Gallert. Sie wollten sich nicht mehr reinreden lassen, fanden ihre Ideen aber auch zu gut, um sie in der Schublade verstauben zu lassen. Am Ende war es Gallert, der auf die Idee kam, ins Buchformat zu wechseln. Doch wie sollten sie es schaffen, dass ihre Manuskripte bei den Verlagen nicht auf den Stapeln mit den unverlangt eingesandten Manuskripten verloren gingen? Wieder war es Gallert, der die Idee hatte, sich die nötige Aufmerksamkeit über einen Literaturpreis zu verschaffen. Ohne seinem Kollegen etwas zu sagen, schickte er die Kurzgeschichte „Kleinmann befreit sich“ beim Agatha-Christie-Preis ein – und gewann. Es folgte im letzten Herbst ihr Krimidebüt mit „Kopfjagd“, ein Roman über den Leiter des Sonderdezernats für Tötungsdelikte mit fremdkulturellem Hintergrund beim Berliner LKA, und jetzt sind sie bereit, um ihren ersten Serienhelden an den Start zu bringen: den Polizeiseelsorger Martin Bauer.

Gleich Bauers erster Fall hat es in sich: Als sich der Polizist Wolfgang Keunert von einer Duisburger Rheinbrücke stürzen will, merkt Bauer schnell, dass er ihm den Selbstmord nicht ausreden kann. Also bleibt ihm nur eine Möglichkeit: Bauer muss selbst springen und Keunert dadurch zwingen, ihn zu retten. Doch Bauers lebensgefährliche Aktion erweist sich als sinnlos, denn nur vier Stunden nach dem Vorfall stürzt sich Keuner vom Dach eines Parkdecks – und ist diesmal erfolgreich. Aber war es wirklich Selbstmord? Zwar hatte Keuner ein Motiv, denn gegen ihn wurde wegen Bestechlichkeit ermittelt, doch konnte Bauer seiner Intuition bislang eigentlich immer trauen: Keuner wirkte nicht wie ein typischer Selbstmörder. Um Keuners 15-jährigem Sohn Tilo beizustehen, ermittelt Bauer in dem vermeintlich eindeutigen Fall und entdeckt eine Spur, die ihn über eine alte Liebschaft von Keuners Witwe bis ins Duisburger Rotlichtmilieu führt.

Pfarrer sind qua Beruf und Berufung ständig in die existentiellen Krisen anderer Menschen involviert. Kombiniert man dies mit Polizeiarbeit und der Welt des Verbrechens, bekommt man eine Hauptfigur, die sich jeder Autor wünscht“, erläutert Reiter auf die Frage, wie sie zu ihrer ungewöhnlichen Hauptfigur gekommen sind. Die beiden wollten einen häufigen Schwachpunkt der Konkurrenz vermeiden: den konstruierten Zugang zu den Fällen. „Martin Bauer bringt uns als Krimiautoren genau dorthin, wo wir sein wollen: mitten ins menschliche Drama eines jeden Verbrechens“, fasst Gallert zusammen. Und so sind sie mit „Glaube Liebe Tod“ auf einer Höhe mit dem gegenwärtigen Krimitrend: Wer einen guten Plot und Figuren mit psychologischer Tiefenschärfe hat, ist nicht auf immer drastischere Schockeffekte angewiesen.

Carsten Schrader

Gallert Reiter Glaube Liebe Tod

Ullstein, 2017, 408 S., 9,99 Euro

Beitrag teilen: