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Gelobt sei Gott: François Ozon klagt Missbrauch an

Regisseur François Ozon stellt die Opfer von sexualisierter Gewalt in den Mittelpunkt seines Films „Gelobt sei Gott“. Im Interview erzählt er, warum.

Monsieur Ozon, mit „Gelobt sei Gott“ greifen Sie zum ersten Mal ein aktuelles Thema auf. Warum?

François Ozon: Ursprünglich wollte ich einen Film über männliche Fragilität machen. Bisher habe ich zahlreiche starke Frauenfiguren auf die Leinwand gebracht, aber diesmal wollte ich den Fokus auf Männer legen, die sichtbar leiden und Emotionen zeigen – also Eigenschaften, die sonst eher dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden. Deshalb hatte ich als Titel zunächst an „Der weinende Mann“ gedacht. In dieser Phase bin ich dann auf den aktuellen Fall Preynat gestoßen. Auf der Website der Opfer las ich Aussagen von Männern, die als Kinder und Jugendliche Missbrauchsopfer der katholischen Kirche waren. Besonders berührt hat mich Alexandre, ein streng gläubiger Katholik, derberichtet, wie er bis zum Alter von 40 Jahren schweigend mit sich gerungen hat, um dann endlich seine Geschichte erzählen zu können. Auf der Website fand ich Interviews, Artikel sowie die E-Mail-Korrespondenz zwischen Alexandre und hohen Amtsträgern der katholischen Kirche von Lyon, wie Kardinal Barbarin und Regine Maire, der Kirchenpsychologin, die für die Unterstützung der Opfer von Priestern zuständig ist. All diese Dokumente haben mich sehr bewegt, und ich habe Alexandre kontaktiert.

 

 

Warum haben Sie sich gegen die Idee einer Dokumentation entschieden?

Ozon: Als ich anfing, mit den Opfern ganz konkret über mein Projekt zu sprechen, spürte ich ihre Enttäuschung und ihren Widerwillen gegenüber einem Dokumentarfilm. Sie hatten der Presse bereits viele Interviews gegeben, in TV-Beiträgen war über sie berichtet worden. Dass sich ein Filmregisseur für sie interessiert, übte eine gewisse Faszination aus. Dabei stellten sie sich eher einen Film wie „Spotlight“ vor, in dem sie sich in fiktionale Charaktere verwandeln, gespielt von bekannten Schauspielern. Und da habe ich mir gedacht: Das ist es, was sie von mir erwarten, und das ist das, was ich kann. Und so habe ich mich auf den Spielfilm eingelassen. Allerdings nicht ohne gewisse Bedenken, denn ich mochte die realen Personen sehr und befürchtete, sie auf der Leinwand nicht so darstellen zu können, dass ich ihnen gerecht würde.

Haben Sie sich mit Kardinal Barbarin, Régine Maire und Bernard Preynat getroffen?

Ozon: Nachdem ich mich von der Idee verabschiedet hatte, eine Dokumentation zu machen, machte ein Treffen keinen Sinn, denn es gab nichts mehr über sie zu enthüllen. Die recherchierten Fakten und Details, alles was gezeigt wird, war bereits in den Medien oder im Internet veröffentlicht. Ich habe mich an die Fakten gehalten. Im Mittelpunkt standen für mich die persönlichen Geschichten der Männer, die als Kinder missbraucht wurden, und zwar aus deren Opferperspektive. Bei den Figuren aus ihrem näheren Umfeld habe ich mir etwas mehr künstlerische Freiheit erlaubt, wobei ich ihre Erzählungen und Aussagen wahrheits- bzw. sinngemäß dargestellt habe. Ich habe ihre Familiennamen geändert und sie zu fiktionalen Helden gemacht, anders als bei Kardinal Barbarin und dem Priester Preynat.

Im Gegensatz zu Ihrem letzten Film, dem sehr stilisiert inszenierten „Der andere Liebhaber“, bleiben Sie hier als Regisseur eher im Hintergrund und lassen das Thema und die Figuren für sich sprechen.

Ozon: Am wichtigsten war mir, immer die Perspektive der Opfer zu wahren und sie bei ihren Anstrengungen und ihrem Engagement aus nächster Nähe zu begleiten. Ich wollte ihren Kampf würdigen, sie ein bisschen als Helden zeichnen in der Tradition von politischen Filmen aus den USA. Der Film hat klar eine pädagogische Dimension

„Gelobt sei Gott“ läuft seit heute im Kino.

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