girl in red: Ehrlichkeit mit Abstand
Auf ihrem Debüt singt girl in red schmerzhaft offen über Liebeskummer. Dabei ging es ihr während der Aufnahmen schon längst wieder gut.
Marie, im Song „.“ singst du als girl in red: „It’s not like me/to just say what I feel“. Dabei machst du das ganze Album über ja eigentlich nichts anderes …
Marie Ulven: Es ist viel einfacher, etwas in einem Song auszudrücken, als es einer Person ins Gesicht zu sagen. Ich bin nicht wirklich gut darin, Leute direkt zu konfrontieren oder Dinge anzusprechen, die mir Angst machen. Genau darum geht es auch in diesem Song: die Möglichkeit, eine Beziehung zu verpassen, weil ich zu ängstlich bin.
Wann hast du angefangen, diese Gefühle stattdessen durch die Musik als girl in red auszudrücken?
Ulven: Ich habe begonnen, Songs zu schreiben, weil es mir einfach Spaß macht. Ich nehme mir nicht bewusst vor, etwas zu sagen, was ich im echten Leben nicht sagen kann. Es passiert einfach, weil mir etwas im Kopf herumgeht und ich viel darüber nachdenke. Beim Schreiben gehe ich viel eher vom Klang aus, spiele mit coolen Sounds herum. Melodien und Texte kommen erst später dazu.
Hattest du auch gar nicht wirklich Liebeskummer, obwohl das ein zentrales Thema der Platte ist?
Ulven: Das Album setzt sich auf jeden Fall viel mit unerwiderter Liebe und Frustration auseinander. Aber meistens kann ich gar nicht direkt über Dinge schreiben, während sie mir passieren. Es geht leichter, nachdem ich Abstand gewonnen habe. Es wäre ja auch blöd, wenn ich nur über Sachen schreiben könnte, die ich in genau diesem Moment durchmache. Das ist meiner Erfahrung nach ein Fehler, den viele angehende Songwriter*innen machen: Sie glauben, sie müssen über etwas schreiben, das sie jetzt gerade fühlen. Wenn es ihnen gut geht, denken sie, sie hätten nichts zu sagen. Auch Journalist*innen nehmen oft an, ich hätte im Moment der Komposition genau die Emotion gehabt, um die es in dem Lied geht. Dabei kann man ja auch zurückdenken! Also nein, Liebeskummer hatte ich definitiv keinen.
Du hast als girl in red das Image einer Musikerin, die sehr offen und ehrlich über ihre Gefühle spricht – auch über ihre Sexualität. Strengt dich dein Status als queer icon manchmal auch an?
Ulven: Ich fühle da keinen Druck. Ich bin einfach eine 22-Jährige, die versucht, auf ihr Leben klarzukommen. In dieser Hinsicht sitze ich im selben emotionalen Boot wie viele meiner Fans. Natürlich gebe ich mir Mühe, ein guter Mensch zu sein, aber als Ikone sehe ich mich selbst nicht. Kein Arschloch sein – das ist eigentlich meine ganze Verantwortung, und die von allen anderen auch. Das Dasein als Künstlerin hat viele coole Seiten, aber auch viele seltsame. Wenn jemand zu mir aufblickt, finde ich das natürlich geil und freue mich, dass diese Person jemanden hat, der diese Rolle erfüllt. Aber letztendlich will ich einfach nur Musik machen. Und ich kann auch nicht versprechen, dass ich nie irgendwelche Fehler machen werde – das gehört einfach dazu.