Zum Inhalt springen

„Je bescheuerter, desto besser“: Grossstadtgeflüster über „Das Über-Icke“

GROSSSTADTGEFLUESTER_credit_Christoph_ManglerWand_1_high_res_final_matt_240dpi
(Bild: Christoph Mangler)

Seit 20 Jahren machen Grossstadtgeflüster immer genau ihr Ding. Wir haben mit Frontfrau Jen Bender über das neue Album, alte Liebe und mehr gesprochen.

Jen, ihr habt gerade den Meilenstein von 20 Jahren Bandgeschichte erreicht. Ist das ein Grund zum Feiern oder eher wie ein Geburtstag, den man lieber ignoriert?

Jen Bender: Wir haben es nicht absichtlich ignoriert, sondern eher verballert, wirklich etwas daraus zu machen. Dann haben wir uns gesagt: Zu uns passt es eh viel besser, wenn wir dreiundzwanzig-ein-drittel Jahre oder so feiern. (lacht)

Konntet ihr euch vor zwei Jahrzehnten vorstellen, dass es heute so laufen würde?

Bender: Wahrscheinlich nicht, ich habe aber auch nie weit in die Zukunft gemacht. Wenn ich ein Mensch wäre, der das täte, würde ich wohl keine Musik machen, sondern hätte was Anständiges gelernt. (lacht) Rückblickend sind diese 20 Jahre echt schnell gegangen, das ist fast ein wenig beängstigend. Aber auch geil, dass ich das schon so lange machen darf. Das ist ja nicht nur eine Frage der eigenen Entscheidung, da gehört auch Glück dazu. Die Basis sind wir Drei: Wir haben noch immer eine richtig gute Zeit miteinander, sind wie eine Familie. Das ist auch nicht selbstverständlich.

Wie sorgt ihr dafür, dass es harmonisch bleibt?

Bender: Harmonisch ist es jetzt nicht unbedingt! (lacht) Wir haben uns einfach total lieb, und sind generell Menschen, die einen respektvollen Umgang mit anderen Menschen begrüßen. Was uns auch gut getan hat, ist, dass wir nicht sofort durch die Decke gegangen sind, nachdem wir angefangen haben, Musik zu machen. Wir sind miteinander in etwas reingewachsen, was uns für immer verbinden wird.

Mittlerweile ist dieser Erfolg ja doch längst da. Wie sehr habt ihr Fans, Gegner:innen und Kritiker:innen heute im Hinterkopf, wenn ihr Musik macht?

Bender: Das Ding mit den Kritiker:innen tangiert mich nicht sonderlich. Manchmal ist es ja auch ganz spaßig, wenn sich jemand abgestoßen fühlt. Es gab allerdings eine Phase, wo wir gemerkt haben: Wir müssen aufpassen, dass jetzt kein Erwartungsdruck entsteht, das, was allgemein als Erfolg bezeichnet wird, zu erfüllen oder zu toppen – dieses ewige, unendliche Wachstum. Das müssen wir von uns weghalten, weil es uns um den Spaß an der Freude geht. Im Studio denken wir vor allem daran, wie ein Song auf der Bühne funktionieren könnte. Insofern fließen natürlich die Menschen ein, die auf die Konzerte kommen – es geht aber weniger um monetäre Ergebnisse, sondern um Erlebnisse.

Wie siehst du das neue Album „Das Über-Icke“ im Verhältnis zu den Vorgängern?

Bender: Es ist total schwer, auf diese Weise auf sich selbst zu schauen. Das funktioniert eher rückwirkend: Wenn ich mir die bisherigen Alben anhöre, glaube ich, da hat es schon eine Entwicklung gegeben. Eines ist aus dem anderen entstanden, es gab immer Dinge, die wir mitgenommen haben, andere, die wir verfeinert oder weggelassen haben. Ich schätze, dass es dieses Mal auch eine innere Logik gibt – aber frag mich besser in zwei Jahren noch mal. (lacht)

Gibt es Songs auf dem Album, die dich überrascht haben?

Bender: Einer der überraschendsten Songs ist „Da lang!?“. (lacht) Wir haben bei unseren Ideensammlungen immer mal wieder Entscheidungsschwierigkeiten und haben uns gesagt: Lasst uns das einfach mal vertonen. Wir nennen den Song auch liebevoll unsere Bohemian Schnapsidee. Er hat verschiedene Parts, die völlig unabhängig voneinander sind. Bis zum Schluss wussten wir nicht, wie er sein wird.

Die verschiedenen Teile in demselben Song, die Beatswitches sind ja fast eine Art Markenzeichen für euch geworden …

Bender: Das sind Brüche um des Bruchs wegen. Sie sollen spannend und aufregend sein – vor allem für uns selbst. Ich finde es super, dass wir uns die Freiheit nehmen können, Pfade zu verlassen und jeden Part konsequent zu Ende zu denken. Das gibt auch dem Inhalt eine Metaebene, die nichts mit Unentschiedenheit zu tun haben muss, sondern mit Ambivalenz und Vieldeutigkeit.

Gibt es auch Ideen, die ihr wieder verwerft, weil sie dann doch zu krass sind?

Bender: Eigentlich merken wir recht schnell, wenn eine Idee keinen Sinn macht. Da kommt es dann gar nicht erst zur Demo. Mittlerweile sind wir echt flott darin geworden. Drüber gibt’s eigentlich nie. Aber es gibt natürlich Sachen, die einfach nicht funktionieren, wo ich nicht spaßig rausgerissen werden, sondern es so irritierend ist, dass ich den Faden verliere. Aber eigentlich gilt: je bescheuerter, desto besser. (lacht)

Beitrag teilen: