H.B. Nielsen: Unter die Haut
H.B. Nielsen spielt auf seinem Debüt „Grand Opening“ den folkigen Blues ganz eigen und zeitgemäß. Doch fast hätten wir den 33-jährigen Schweden an die Tätowiernadel verloren.
H.B. Nielsen, du hast dich vor zwei Jahren wieder in Göteborg niedergelassen und führst jetzt ein geregeltes Leben. Wie fühlt sich das an?
H.B. Nielsen: Wenn ich ehrlich bin, hatte ich die Sehnsucht nach einem geregelten Alltag schon eine ganze Weile mit mir rumgetragen. Ich genieße das langsamere Leben und kann mich jetzt endlich intensiver der Musik widmen. Schon als ich mit 19 fürs College nach New York gegangen bin, habe ich ja angefangen, Songs zu schreiben.
Dann ist dir allerdings eine Karriere als Tätowierer dazwischen gekommen. Nach einer Trennung bist du sogar raus aus New York, um mit einem Pick-up durch die USA zu reisen und von dieser Kunst zu leben.
H.B. Nielsen: Seit ich mir mit 17 das erste Tattoo stechen lassen habe, bin ich fasziniert davon. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal selbst machen könnte. Auf diesen Reisen habe ich viele neue Freunde und Mentoren kennengelernt, die mich in ihre Shops in Texas oder Louisiana eingeladen haben. Aber so sehr ich diese Zeit auch manchmal im Rückblick romantisiere – wirklich glücklich war ich damals nicht.
Bist du zur Musik zurück, weil das Tätowieren nie so ganz frei von Dienstleistung ist?
H.B. Nielsen: Wenn ich tätowiere, ist das immer auch Selbstausdruck, und selbst nach neun Jahren stoße ich noch auf neue Herausforderungen. Trotzdem ist immer der Körper eines Anderen im Spiel. Wenn ich dagegen einen Song schreibe, bietet mir das absolute Freiheit, und ich wusste eigentlich die ganze Zeit, dass ich irgendwann mit der Musik ernst mache. Unter die Haut will ich komplett nach meinen Bedingungen.
Auf deinen Debüt gibt es den Song „Xanax blue“, der ein bisschen wie eine Mahnung an dich selbst wirkt, das sesshafte Leben nicht wieder aufzugeben.
H.B. Nielsen: Vielleicht, auf jeden Fall warne ich mich selbst davor, nicht nostalgisch zu sein. Ich will ja auch wieder unterwegs sein, um mit meinen Songs zu touren. Meist fügt sich sowieso alles ineinander: Nachdem ich in Göteborg bereits einige Zeit vergeblich nach einem Übungsraum gesucht hatte, wollte sich ein Typ von mir tätowieren lassen, von dem ich wusste, dass er entsprechende Räumlichkeiten besitzt. Also habe ich das wohl beste Tattoo meines Lebens gemacht und sechs Stunden investiert, obwohl vermutlich zwei gereicht hätten. Am Ende habe ich nicht nur eine kleine Ecke in seinem Komplex bekommen, sondern dort auch die Musiker von Black River Delta kennengelernt, die mir bei der Umsetzung des Albums sehr geholfen haben.
Interview: Carsten Schrader